Mathias Klammer, Ein guter Tag zum Fliegen

Dem Roman „Ein guter Tag zum Fliegen“ ist ein Lesezeichen beigelegt mit der Zauberformel: „Ein guter Tag zum Lesen.“ - Die gute Witterung zum Abhauen aus der Schwerkraft lässt sich vielleicht mit Lesen bewerkstelligen.

Mathias Klammer faltet seinen Roman über einen tief sinnierenden Außenseiter in zwei Flächen auf. Im ersten Abschnitt, ein guter Tag zum Fliegen genannt, wühlt sich ein Erinnerungs-Ich durch die Kindheit und andere familiäre Krisen-Situationen und setzt sich intensiv mit der Todeskrankheit des Bruders auseinander.

Der Erzähler hat eine eigene Langsamkeit entwickelt, um den Tiefengehalt der Dinge zu erforschen. Vor allem die dafür entwickelten Erkundungsspräche machen sich zwischendurch selbständig und entfalten einen Wert für sich.

Etwas ganz Besonderes steht im geschriebenen Wort. (18)

Dieses geschriebene Wort quillt durch Erinnerungs-Destillation aus jenen Tonbandaufzeichnungen, die den sterbenden Bruder unvergessen machen. Eine Reise nach Tel Aviv, die Umtriebe des Vaters, der allgemein bloß Egon genannt wird, und die vielen Samstage der Kindheit, die meist in Träumereien ausgeartet sind, sind typische Tage, die zum Fliegen geeignet sind. Mit diesem Fliegen sind wohl das Abhauen in Träume, das Überwinden der Krankheit und die Aussicht auf einen befreienden Tod gemeint.

Die Fiktion vermischt sich mit der Realität, es legt sich ein Schleier drüber und mein Verstand vermag nicht mehr zu unterscheiden. (85)

Der zweite Teil nennt sich dann „Ein Tag“, er setzt sich aus den Überlebensstrategien des bereits Erzählten zusammen, worauf konkrete Anwendungen für den gegenwärtigen Tag aufgesetzt sind.

Jetzt vergehen die „Tage im Krankenhaus wie im Flug“, aus Träumen taucht das Mädchen Sui auf, wie sonst zu voller Stunde Nachrichten auftauchen. Die Umgebung tritt durchaus forsch und zukunftssicher an den Protagonisten heran. Jetzt gibt es einen Aufbruch in die neue Welt, das Mädchen Sui hat Züge einer Geliebten, wie sie in fernen Romanen vorkommen. Die Nachrichten explodieren als nicht gebuchte Geschichten, irgendwo geht eine Autobombe los (130), aber diese Katastrophen dringen nicht bis zum Helden durch.

Der Tag erweist sich als Ausbruch von Träumer-Tagen, mal ist es das spanische Hinterland, das Gefühle erweckt, dann ist es bloß eine andere Stadt, vielleicht auch nur ein neuer Tag, die die Empfindung verändern. In einem Rauschen geht der Roman zu Ende. Der Held hat die Chance zum Fliegen ergriffen, aus dem Knistern eines Epischen Logbuchs heraus fallen beruhigende Sätze, dass alles schön gewesen ist, dass alles schön ist.

Mathias Klammer stülpt mit seinem Roman die Außenwelt seiner Protagonisten gekonnt in deren Innenwelt, bis sie genug Auftrieb haben, um aus allem Schwermütigen und der Schwerkraft abzuheben.

Mathias Klammer, Ein guter Tag zum Fliegen. Roman.
Gosau: arovell 2014. 168 Seiten. EUR 14, 90. ISBN 978-3-902808-77-6.

 

Weiterführender Link:
Arovell Verlag:
Homepage: Mathias Klammer

 

Helmuth Schönauer, 24-11-2014

Bibliographie

AutorIn

Mathias Klammer

Buchtitel

Ein guter Tag zum Fliegen

Erscheinungsort

Gosau

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Arovell Verlag

Seitenzahl

168

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-902808-77-6

Kurzbiographie AutorIn

Mathias Klammer, geb. 1988 in Osttirol, lebt in Leisach.