Georg Paulmichl, Bis die Ohren und Augen aufgehen

Ein Fernsehabend erlöst den anderen. - Wenn Sprichwort-artige klare Analysen im Spiel sind, ist Georg Paulmichl nicht weit. Er schafft es mit seinen beinahe täglichen Schreibüberlegungen, dem jeweiligen Tag und sich selbst den letzten Schliff zu geben.

Seit mehr als drei Jahrzehnten schreibt Georg Paulmichl mehr oder weniger freiwillig unter Anleitung seiner Betreuer seinen Tagesstoff, der zwischen Therapie, Heimatkunde und Jahreskreis angesiedelt ist. Die Miniaturen halten sich oft an ein ausgegebenes Thema und entlarven diverse Kommunikations-Rituale, indem die Sachverhalte oft allzu wörtlich, seltsam verschränkt oder mit Querverweisen aus völlig fernen Gebieten abgesichert werden.

Die Landschaft ist rundum prima. / Im Winter wachsen keine Blumen. / Ein Fernsehabend erlöst den anderen. / Auf der Suche nach dem wahren Frieden. / Gejauchzt, gesprungen und gejodelt. / Das Glück wohnt irgendwo. / Über alle Ränder und Maße.

Der Autor nimmt die pädagogische Begleitmusik beim Aufarbeiten diverser Themen als das Wesentliche, und baut darum assoziativ diverse Versatzstücke herum, die meist aus dem erwarteten Setting der Situationen hinausführen und so das didaktische Genre erweitern.

Die Geschichten sind immer auch gelungene Überprüfungen, ob das Sprachmaterial auch ausreicht, die anvisierte Lage zu beschreiben. Gerade für regionale, heimatkundliche, ja patriotische Annäherungsweisen, wie sie im Alltag Südtirols gerne gepflogen werden, bewährt sich Georg Paulmichls verknappte Sprache durchaus, er entlarvt Floskeln hemmungslos durch penetrante Anwendung.

Der neue Brunnen dient für die Bevölkerungsschicht.“ (7) Aus dieser pathetischen Beschreibung hört man als Nachhall geradezu die Sonntagsrede, mit der dieser Brunnen offensichtlich eröffnet worden ist.

Märkte gefallen mir prima. Beim Markt führen sie einem durch die Nase. (78)

Auch hier sickert in die Euphorie eines lokalen Marktbesuches gleich eine Marktanalyse ein, wie sie in Börsenberichten zur Anwendung kommt.

Wenn Leute auf dem Markt viel Geld verlangen, dann sind das Ölmagnaten. (78)

Der Begriff Markt wird schlagartig erweitert, indem möglichst viele seiner Anwendungsfelder übereinander getürmt werden.

Neben den frühen Texten sind erstmals auch die Bilder aus den 1980er Jahren in Buchform ausgestellt. Die Arbeiten haben nie einen Titel und sind spontane Antwort auf die pädagogische Maßnahme, dass man dem Künstler ein Stück Karton und Mal-Utensilien vorgelegt hat.

Farbkompositionen, Gebäude, Witterung, Leiter, Stimmung, Jahreszeit, das alles ist im Kern wie ein Piktogramm angemalt und verdickt sich dann zu einem formidablen Gemälde. Je nach Umfeld im Buch glaubt man in diesen Bildern genau das zu sehen, was im angrenzenden Text angesprochen wird. Als Leser liest man zuerst den Kontext, ehe man sich dann dem Kern des Bildes zuwendet. So sind diese Bilder eine elegante Ergänzung der Geschichten, die genug Freiraum für die Interpretation lassen.

„Der Georg ist bekannt und berühmt in allen Talsohlen“ (109) wird der Autor recht hintersinnig im Nachwort zitiert. Und dieses Buch wird seine Berühmtheit noch verstärken.

Georg Paulmichl, Bis die Ohren und Augen aufgehen. Frühe Texte und Bilder. Mit einem Nachwort von Irene Zanol und Johannes Gruntz-Stoll
Innsbruck: Haymon 2014, 122 Seiten. EUR 19,90, ISBN 978-3-7099-7149-9

 

Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Georg Paulmichl, Bis die Ohren und Augen aufgehen
Wikipedia: Georg Paulmichl

 

Helmuth Schönauer, 23-11-2014

Bibliographie

AutorIn

Georg Paulmichl

Buchtitel

Bis die Ohren und Augen aufgehen. Frühe Texte und Bilder

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Haymon Verlag

Seitenzahl

122

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7099-7149-9

Kurzbiographie AutorIn

Georg Paulmichl, geb. 1960 in Schlanders, lebt in Prad.