Johannes J. Voskuil, Schmutzige Hände

In einer Saga ist einerseits so viel los, dass kaum ein Erzähler mit der Dokumentation der Ereignisse fertig wird, andererseits tut sich fast nichts, außer dass Helden ihr Heldenleben abspulen.

Johannes J. Voskuil nennt seinen zweiten Teil der siebenteiligen „Büro-Saga“ Schmutzige Hände. Eingeklemmt zwischen innerer Tobsucht und äußerer Korrektheit arbeiten sich die Helden an einer Gesellschaft ab, mit der sie kaum in einen zeitgleichen Kontakt treten. Dennoch geht die Angst um, dass man sich die Hände schmutzig machen könnte, wenn man nicht aufpasst, wo man hintritt und was man dabei sagt.

Hauptfigur dieses Büro-Kosmos, der im Anhang wie ein unendliches Adelsgeschlecht aufgeführt ist, ist nach wie vor Maarten Konig, der seinerzeit widerwillig ins Büro für Volkskunde eingetreten ist und jetzt im zweiten Band bereits zu den Systemträgern zählt. Die kleinste Figur ist vielleicht Edith Schenkele, eine österreichische Volkskundlerin.

Darum geht es auch, zu allen möglichen Volkskulturen Kontakt zu halten und dabei Standards der gelungenen Bürokratie zu entwickeln. So vergehen denn auch die Jahre 1965 bis 1972 hauptsächlich zu dem Zweck, dass man sie gut ablegen kann. Die jeweilige Gegenwart spielt vor allem im Smalltalk und Konsumverhalten der Protagonisten eine Rolle, Politik dringt nur auf Umwegen ins Büro ein.

Als etwa Kontakte zu südafrikanischen Ethnologen hergestellt werden sollen, stellt sich die Frage nach der niederländischen Sieger-Geschichte in Südafrika. Maarten Konig jedenfalls schreibt eine Nacht lang sein Kündigungsschreiben, freilich nur als Schriftführer für einen kleinen Verein.

Für Büro-Insider ist der Roman eine einzige Delikatesse. Gleich zu Beginn gibt es einen Krankenstand zu vermelden, der heftige Diskussion auslöst. Wie lange muss ein Beamter seinem Körper Widerstand leisten, ehe er nachgibt und sich ins Bett legt.

Ein Jausengespräch über Wittgenstein bringt sofort die Anführer der beiden Denkschulen in Stellung. Laut Wittgenstein gibt es Menschen, die schauen der zeigenden Hand entlang, und solche, die schauen auf das Gezeigte. So können sich auch die Fachleute nur schwer darauf verständigen, was der Sinn ihrer Forschung ist. Als ein Kunde beispielsweise einen Mühlen-Kataster abfragen will und nichts findet, kriegt er die saloppe Antwort,

was von niemandem gemacht worden ist, gibt es eben nicht. (64)

Berührend schlicht fällt auch die Erotik der Beamten aus. Einer muss sogar Tabletten gegen die Libido nehmen, weil er auf eine Kollegin so stark abfährt. „Selbst wenn ich ihr Fahrrad sehe, bin ich schon erregt.“

Wenn ein neuer Job ausgeschrieben wird, nennt man die Tätigkeit Bibliothekar, weil man sich da noch am ehesten etwas darunter vorstellen kann. Wie schwer nämlich ein Büro-Job Außenstehenden zu beschreiben ist, versteht nur, wer schon einmal selbst in einem Büro gearbeitet hat.

Über die Voskuilsche Beamtengalaxis könnte man wie über jeden Kosmos wochenlang sinnieren und aufgeregt sein. Der Verbrecherverlag bringt die restlichen fünf Bände bis 2017 heraus. Da ist für Aufregung, Herzzittern und Libido gesorgt, zumindest auf Beamtenebene.

Johannes J. Voskuil, Schmutzige Hände. Das Büro 2, Roman. A. d. Niederl. von Gerd Busse. Mit einem Nachwort von Pieter Steinz. [Orig.: Het bureau 2; Vuile Handen, 1996].
Berlin: Verbrecher 2014. 687 Seiten. EUR 29,-. ISBN 978-3-95732-007-0.

 

Weiterführende Links
Verbrecher Verlag: Johannes J. Voskuil, Schmutzige Hände
Wikipedia: J. J. Voskuil

 

Helmuth Schönauer, 08-12-2014

Bibliographie

AutorIn

Johannes J. Voskuil

Buchtitel

Schmutzige Hände

Originaltitel

Het bureau 2; Vuile Handen

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Verbrecher Verlag

Reihe

Das Büro, Bd. 2

Übersetzung

Gerd Busse

Seitenzahl

687

Preis in EUR

29,00

ISBN

978-3-95732-007-0

Kurzbiographie AutorIn

Johannes J. Voskuil, geb. 1926, schied am Tag der Arbeit 2008 freiwillig aus dem Leben.