James Risen, Krieg um jeden Preis

„Gier und Macht sind stets eine gefährliche Mischung. Zu Kriegszeiten dehnt sich die Macht aus, und leicht folgt ihr die Gier auf dem Fuße. Je mehr die amerikanische Infrastruktur zur Terrorbekämpfung wächst, desto schwerer ist es geworden, sie unter Kontrolle zu halten.“ (12)

Der zweifache Pullitzer-Preisträger und Journalist der New York Times ist seit 2009 in einen langwährenden Rechtsstreit mit der amerikanischen Regierung verwickelt, denen er sich aufgrund seiner Aufdeckungen und Veröffentlichungen ausgesetzt sieht. Mit seinem Buch will er der Regierung in ihrem Kampf gegen offensiven, investigativen Journalismus entgegentreten.

Seit den Anschlägen vom 11. September hat sich die Wahrnehmung der Welt in unseren Medien radikal verändert. Die USA haben unter Präsident Bush damit begonnen einen permanenten Krieg gegen den Terror und gegen beteiligte Staaten zu führen, mit Auswirkungen bis in die Gegenwart. Vieles, was seither passiert ist und von dem James Risen in seinem Buch erzählt, scheint so verrückt, dass schon unglaublich erscheint.

Um die niedergeschlagene Wirtschaft nach dem 2. Irak-Krieg wieder aufzurichten wurden ungefähr 20 Milliarden Dollar von Amerika aus mit Militärflugzeugen nach Bagdad geflogen, ohne klare Anweisungen, was mit dem Geld konkret geschehen solle. Bei 11,7 Milliarden Dollar herrscht bis heute Unklarheit, wo sie verblieben sind. Es wird vermutet, dass sich ca. 2 Milliarden Dollar in versteckten Bunkern im Libanon befinden.

Als weiteres Problemfeld seit dieser Zeit sieht Risen die Zunahme des menschenverachtenden Einsatzes von Flugzeugdrohnen in der Kriegsführung und für die Beseitigung von gesuchten Terroristen, denen immer mehr Zivilpersonen zum Opfer fallen. Die Umsätze bestimmter Firmen in diesem Rüstungsbereich sind vor allem unter der Präsidentschaft Obamas massiv gestiegen. Dabei haben die amerikanischen Drohnenanschläge das Ressentiment der muslimischen Welt gegen die USA verstärkt und damit die Terrorgefahr erhöht.

Im weiteren Bereich stehen vor allem die Tätigkeiten der amerikanischen Geheimdienste im Mittelpunkt, deren Budgets trotz geringer Erfolge stetig vergrößert wurden und sich für einige amerikanische Firmen zu einer ungeahnten Geldquelle entwickelten.

Aber auch im inneren des Landes scheinen die Uhren, durch die schon paranoide Angst vor Terroranschlägen, neu gestellt worden zu sein. So schildert Risen, wie sich die über Jahrzehnte bewährte freundschaftliche Grenzbeziehung zwischen den Ortenschaften Derby Line (USA) und Stanstead (Kanada) durch Maßnahmen des sogenannten „Heimatschutzministeriums“ ins Groteske verändert haben.

Die vor mehr als 100 Jahren errichtete Haskell Free Library wurde als Wahrzeichen für friedliche Beziehungen genau an der Grenze zwischen den USA und Kanada errichtet. Der Grenzverlauf wird am Fußboden der Bibliothek durch eine schwarze Linie symbolisiert. Scharfe Grenzkontrollen durch das Heimatschutzministerium haben die traditionell unkomplizierten und engen grenzübergreifenden Beziehungen zwischen den beiden Ortschaften beendet.

Detailliert und präzise belegt präsentiert Risen einen Fall nach dem anderen, von denen jeder Einzelne sich wie ein unglaublicher Skandal liest, der nach juristischen und politischen Folgen schreit. Es ist ein erschreckendes Bild einer Weltmacht, das sich vor den Augen des Lesers auftut, das unmittelbar an George Orwell denken lässt. Lediglich die Hoffnung bleibt, dass Journalisten wie James Risen den Mantel des Verbergens lüften,  und einen öffentlichen Druck erzeugen. Ein wichtiges und empfehlenswertes Buch, weil es nicht nur Autoren sondern auch Menschen braucht, die Rechenschaft von ihren Regierungen einfordern.

James Risen, Krieg um jeden Preis. Gier, Machtmissbrauch und das Milliardengeschäft mit dem Kampf gegen den Terror, übers. v. Andreas Simon Dos Santos [Orig. Titel: Pay Any Price: Greed, Power, and Endless War]
Frankfurt a. Main: Westend Verlag 2015, 320 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-86489-107-6

 

Weiterführende Links:
Westend Verlag: James Risen, Krieg um jeden Preis
Wikipedia: James Risen

 

Andreas Markt-Huter, 05-11-2015

Bibliographie

AutorIn

James Risen

Buchtitel

Krieg um jeden Preis. Gier, Machtmissbrauch und das Milliardengeschäft mit dem Kampf gegen den Terror

Originaltitel

Pay Any Price: Greed, Power, and Endless War

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Westend Verlag

Übersetzung

Andreas Simon Dos Santos

Seitenzahl

320

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-86489-107-6

Kurzbiographie AutorIn

James Risen ist bei der New York Times für den Bereich Nationale Sicherheit zuständig. Er gehört zu dem Team, das 2002 für seine Hintergrundberichterstattung zum 11. September 2001 und zum Terrorismus mit dem Pulitzer- Preis geehrt wurde.