O. P. Zier, Komplizen des Glücks

Wer sich eine Vorstellung von seinem eigenen Lebensglück machen will, muss unbedingt einen Stammbaum anlegen. Nichts ist so verlässlich für die Karriere wie ein rechtwinklig abgezwickter Stammbaum.

In O. P. Ziers Roman „Komplizen des Glücks“ ist am Ende ganz im Stile von Dynastien der  Stammbaum der Wirrings aufgezeichnet. Klitzeklein sind Ein-Kind-Generationen verknüpft und einmal geht sich sogar ein kleiner Seitensprung aus. Diese Skizze zeigt das Thema des Romans, es geht um das kleine Glück, um Ein-Kind-Familien, Ordnung und Würdigung des jeweiligen Zeitgeistes.

Dabei ist auch bei den Wirrings das Verlassen der Ordnung die eigentliche Antriebsfeder moralischen Handelns. Eines Tages nämlich taucht ein sterbenskranker Typ am Familiendomizil auf und behauptet, das Ergebnis eines Seitensprungs des Opas zu sein, der als angehimmelter Rock-Star seinerzeit durch das Alpenvorland gezogen ist.

Jetzt kommt der Ich-Erzähler Rolf zur vollen Entfaltung. Wie alle angehenden Germanisten möchte er nach der Dissertation einen Familienroman schreiben, da kommt ihm der unerwartet aufgetauchte Onkel gerade recht, bringt er doch einen Hauch Außenansicht in den Familienstoff.

Wenn man die Familie oft als Zelle des Staates bezeichnet, so ist der Kleinfamilienroman auf Österreich übertragen eine staatstragende Erzählform. Rolf arbeitet die Gesellschaft auf, das heißt er kommentiert die eigene Pubertät. Vor allem die legendären Pseudo-Sendungen ROLF WORLDWIDE RADIOSHOW aus dem Kinderzimmer des Protagonisten übertragen zeigen die Untiefen der österreichischen Republik am Ende des vergangenen Jahrhunderts.

Die Familienangehörigen sind dabei wie im echten Staatsrundfunk Dauergast und bestreichen mit privaten Gedankengängen die sogenannte Öffentlichkeit. Opa als ehemaliger Rockstar, Oma als im Drogenrausch verunglückte Ärztin, die man am besten vergisst, Vater als Werbeguru und Existenzforscher, Mutter als Redakteurin der Studentenzeitung „Saugpost“, die mittlerweile die offiziellen Rezensionen für das Land verfasst, sie alle sind bei Rolf zu Gast, der seinen Namen durch eine Verwechslung mit einem Hund ausgefasst hat.

In diesen Radiosendungen kommt verlässlich der Zeitgeist zum Vorschein, wie er sich in einem umgebauten alten Bauernhaus am Rande der Sackgassen-Siedlung entwickelt. Dabei geht es den Figuren vor allem um Selbstverwirklichung und um streich-weichen Widerstand, mit dem man über den Konsum der Dinge stracks ins eigene Glück vorstoßen kann. „Die Leute erwarten sich vom Leben Gerechtigkeit“ (41) kommentiert der Vater das sinnlose Glücksstreben seiner Generation.

Nach der Dokumentation der eigenen Pubertät bricht Rolf seine Saga mehr oder weniger gekonnt ab, es hat sich nämlich nach den Radiosendungen nichts mehr ereignet, außer dass der angehende Germanist sich mit Thomas Mann und seine Inszenierung als Großschriftsteller beschäftigt hat. Auf einem Fresszettel taucht schließlich noch eine DNA-Analyse auf, wonach der spontane Onkel gar nicht genetisch mit der Zwergfamilie verwandt gewesen ist. Aber die Vorstellung hat ihn glücklich gemacht.

O. P. Ziers sarkastischer Familienroman über privat strukturierte Einzeller ist eine scharfe Analyse jener Miniwelten, die sich als Klein-Siedlungen verstreut über das ganze Land gelegt haben und deren Bewohner am Samstag beim Baustoffhändler kurz in Kontakt treten. Der Rest der Öffentlichkeit geschieht durch Dauertalkshows mit Produktplatzierung.

O. P. Zier, Komplizen des Glücks. Roman.
St. Pölten: Residenz 2015, 353 Seiten, 22,90 €, ISBN 978-3-7017-1642-5

 

Weiterführende Links:
Residenz Verlag: O. P. Zier, Komplizen des Glücks
Wikipedia: O. P. Zier

 

Helmuth Schönauer, 31-03-2015

Bibliographie

AutorIn

O. P. Zier

Buchtitel

Komplizen des Glücks

Erscheinungsort

St. Pölten

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Residenz Verlag

Seitenzahl

353

Preis in EUR

22,90

ISBN

978-3-7017-1642-5

Kurzbiographie AutorIn

O. P. Zier, geb. 1954, aufgewachsen in Lend, lebt in St. Johann / Pongau.