Peter Fröberg Idling, Gesang für einen aufziehenden Sturm

Ein Konflikt wird ja für die Literatur erst dann interessant, wenn er vollends ausgebrochen ist. Und wenn dann wie im Falle der Killing Fields das Desaster gigantisch wird, kann es mit Worten erst wieder nicht eingefasst werden.

Peter Fröberg Idling legt seinen Gesang für einen aufziehenden Sturm ins Kambodscha des Jahres 1955. Die Franzosen sind abgezogen und „haben keine erfahrene Wählerschaft hinterlassen.“ (146) Im Wahlkampf kommt es zu Übergriffen aller Art, Chaos wird geschürt und dennoch kristallisieren sich zwei Stränge heraus, die bodenständige Prinzen-Partie und die kommunistische Partei. Nach der Röte ihres Programms nennen sie sich Khmer rose und Khmer ruge.

Hinter dem Ringen um die Macht und den politischen Kurs des unabhängigen Kambodschas stecken freilich subtile Hormonausschüttungen. Der Französisch-Lehrer Sar, der später als Pol Pot die Menschen vernichten wird, und der Prinzen-Freund Sary, der nach kurzer Zeit als Vizepremier selbst gestürzt wird, rittern um die edle Somaly. Somaly stellt so etwas wie die Luxusmutter Kambodschas dar, wer sie besitzt, besitzt das Land.

Sar und Sary haben beide in Paris studiert und von dort auch ihre politischen Entwürfe mitgebracht. Hoch motiviert und mit Parolen auf-munitioniert versuchen sie die Frau zu gewinnen. Dabei sind freilich ganz andere Eigenschaften gefragt als in der Politik. Mit Politik gewinnst du keine Frau, denn sie ist das Gegenteil der Politik.

Während sich Sary an der Seite des Prinzen und bei öffentlichen Empfängen leichter tut, sich an die Angebetete heranzumachen, muss der Lehrer ständig seine Tarnung als Untergrundkämpfer aufgeben und vor allem mit Erinnerung punkten. Er war einst der Geliebte, ehe er nach Paris zum Studium übersiedelt ist.

Die Gerüchte werden immer bedrohlicher und rücken in der Realität nahe an die Protagonisten heran. Niemand kann mit einer freien Wahl umgehen, und so schlagen  zwischen den Programmen auch handfeste Morde zu Buche. Dabei sind die Parolen durchaus einleuchtend für die Zeit und das Land. Die Kommunisten wollen das „Land bauen“, wie man einen Tempel baut, der Prinz will es verwalten, weil er ja schon einen Thron gebaut hat.

Der Prinz gewinnt die Wahl, was die Wahl auch für Somaly erleichtern dürfte. Und auch Pol Pot weiß als Verlierer, was zu tun ist.

Peter Fröberg Idling legt eine überzeugende Szenerie aus, wie letztlich in einem Land die Entscheidungen wie in einem Jugendclub mit freier Partnerwahl getroffen werden: Hormone steuern die Welt! Erzähltechnisch in die drei Kapitel Sar, Sary und Somaly gegliedert zeigt dieses Dreieck kompakt, wie die Welt letztlich tickt. - Eine überzeugende Form, historische Ereignisse aufzulösen in eine erhellende Bildbeschreibung.

Peter Fröberg Idling, Gesang für einen aufziehenden Sturm. Roman. A. d. Schwed. von Verena Reichel, [Orig.: Sang till den storm som ska komma, Stockholm 2012].
Berlin: Insel 2015, 379 Seiten, EUR 23,60, ISBN 978-3-458-17628-2

 

Weiterführende Links:
Insel Verlag: Peter Fröberg Idling, Gesang für einen aufziehenden Sturm
Wikipedia: Peter Fröberg Idling

 

Helmuth Schönauer, 23-04-2015

Bibliographie

AutorIn

Peter Fröberg Idling

Buchtitel

Gesang für einen aufziehenden Sturm

Originaltitel

Sang till den storm som ska komma

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Insel Verlag

Übersetzung

Verena Reichel

Seitenzahl

379

Preis in EUR

23,60

ISBN

978-3-458-17628-2

Kurzbiographie AutorIn

Peter Fröberg Idling, geb. 1972, lebt in Stockholm.