Hermann Parzinger, Die Kinder des Prometheus

„Dieses Buch ist der Versuch einer Annäherung an die zahllosen Kulturen, die der Mensch auf allen Kulturen hervorgebracht hat, seit Hominiden – die Vorläufer des heutigen modernen Menschen – vor Millionen von Jahren in Afrika den aufrechten Gang und den Einsatz der Greifhand entwickelt haben.“ (12)

In 16 umfangreichen Kapiteln auf knapp 850 Seiten bietet Hermann Parzinger eine Zusammenstellung der Ur- und Frühgeschichte der Menschheit vor, die sich von ihren Anfängen bis zur Entwicklung der Schrift erstreckt. Bei der Darstellung menschlichen Lebens und menschlicher Kulturen wird allen Kontinenten die gleiche Bedeutung beigemessen und alle Kulturen werden in ihrer Bedeutung, in ihren Gemeinsamkeiten aber auch in ihrer jeweiligen Einmaligkeit detailliert vorgestellt.

Die „Geschichte der Menschheit“ erstreckt sich vom Auftauchen der ersten Vertreter der Hominiden vor ca. 7 Millionen Jahren über das Auftreten des Homo habilis als ersten Vertreter der Gattung Homo vor ca. zwei Millionen Jahren bis hin zu den Anfängen der Verbreitung des Homo sapiens vor ca. 100.000 Jahren. Die Universalgeschichte der Menschheit umfasst alle Kontinente und zeigt den Siegeszug des Homo sapiens über die gesamte Welt.

Während für die Zeit des Paläolithikums, die Entwicklung von Kulturen und Techniken weltweit im Kapitel „Der große Sprung zur kulturellen Modernität“ abgehandelt werden, sind den verschiedenen Regionen der Erde für den Zeitabschnitt der Sesshaftwerdung und den Anfängen erster Großsiedlungen der Menschheit jeweils eigene Abschnitte gewidmet. Im Kapitel „Vom Lagerplatz zur frühen Stadt in Vorderasien“ werden die Entwicklungen in der Region um den Fruchtbaren Halbmond, die Levante, Anatolien und Mesopotamien aufgezeigt und die erste Hinwendung des Menschen zur Landwirtschaft, aber auch die Errichtung von ersten Großsiedlungen und Städten detailliert vorgestellt.

Kapitel „Die Ausbreitung des sesshaften Lebensweise nach Europa“ zeigt im zeitlichen Verlauf die Ausbreitung der Sesshaftwerdung des Menschen, die von Anatolien ausgehend über den Balkan und Südeuropa bis in den nördlichen Teil Europas verlaufen ist. Dabei begann das frühe Neolithikum in Mitteleuropa ab ca. 5.500 vor unserer Zeit. In dieser Zeit der Bandkeramik wurde das Getreide zum Grundnahrungsmittel des Menschen wird und sich die ersten Nachweise für Friedhöfe im Neolithikum finden lassen. Vorgestellt werden verschiedene Kulturen, die vor allem nach ihrer keramischen Produktionsweise bezeichnet werden, wobei Veränderungen im Bereich von Technik, Totenkult und sozialen Zusammenleben anschaulich vermittelt werden.

Nicht weniger interessant sind die beiden Kapitel „Das Niltal vor der altägyptischen Zivilisation“ und „Klima und Kulturentwicklung in Sahara und Sahelzone“ in denen die Entwicklung von Kulturen als Folge veränderter klimatischer Bedingungen beschrieben wird. Mit der zunehmenden Trockenheit im Niltal fehlten die Großtiere für die Jagd, sodass der Bedeutung von pflanzlicher eine zentrale Bedeutung zukam, wobei die neolithische Lebensweise erst um 5.500 v. Chr. im Niltal aufgekommen war. In der Sahara und Sahelzone war das menschliche Leben noch mehr von den klimatischen Bedingungen geprägt, nachdem der Lebensraum Sahara stetigen Veränderungen ausgesetzt war.

Zu den weiteren Regionen der Erde, deren Entwicklung bis zum Jungneolithikum vorgestellt werden, gehören das subsaharische Afrika, die Steppen- und Waldgebiete Eurasiens, die Kulturregionen zwischen Kaukasus und indischem Ozean, die Kulturen Ostasiens, die Inselwelt Ozeaniens und des australischen Kontinents, sowie Nordamerika, Mittelamerika und Südamerika.

Die vergleichenden Schlussbetrachtungen lassen noch einmal die großen Entwicklungsschritte der Menschheit von ihren Anfängen bis zu den kulturellen Entwicklungen des Neolithikums Revue passieren. Dabei werden die einzelnen Regionen der Erde in ihrer zeitlichen und kulturellen Entwicklung verglichen und eingeordnet. Im abschließenden Anhang des Sachbuches finden sich eine umfangreiche, den einzelnen Kapiteln zugeordnete Bibliographie, ein Bildnachweis sowie je ein Register für geographische Begriffe und archäologische Kulturen.

Hermann Parzingers Zusammenstellung der frühen Kulturen der Menschheit in allen Kontinenten ist in dieser Form sicherlich einmalig. Dabei fasziniert die verständliche und klare Sprache ebenso wie das fundierte Detailwissen, mit dem der Autor auch unterschiedliche Theorien und Standpunkte vorstellt und vorsichtig abwägt. Hervorstechend ist auch die gleichberechtigte Darstellung aller Kontinente und Regionen der Erde, womit allen Kulturen ihr Stellenwert in der Entwicklung der Menschheit beigemessen und eine eurozentristische Sichtweise zurückgewiesen wird.

Hermann Parzingers Geschichte der Menschheit bietet nicht nur fundiertes Wissen sondern liest sich von der ersten bis zur letzten Seite wie ein spannender Roman. Ein überaus empfehlenswertes wissenschaftliches Sachbuch, das nicht nur Fachwissenschaftler sondern auch eine breite Leserschaft anzusprechen und zu interessieren vermag.

Hermann Parzinger, Die Kinder des Prometheus. Eine Geschichte der Menschheit vor der Erfindung der Schrift, mit 110 Abbildungen und 19 Karten, 4. Auflage
München: C. H. Beck Verlag, 2015, 848 Seiten, 41,10 €, ISBN 978-3-406-66657-5

 

Weiterführende Links:
C. H. Beck Verlag: Hermann Parzinger, Die Kinder des Prometheus
Wikipedia: Hermann Parzinger

 

Andreas Markt-Huter, 10-12-2015

Bibliographie

AutorIn

Hermann Parzinger

Buchtitel

Die Kinder des Prometheus. Eine Geschichte der Menschheit vor der Erfindung der Schrift

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

C. H. Beck Verlag

Seitenzahl

848

Preis in EUR

41,10

ISBN

978-3-406-66657-5

Kurzbiographie AutorIn

Hermann Parzinger wurde in München geboren und ist Prähistoriker und Spezialist für die Kultur der Skythen. Er war bis 2008 Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts und ist seit 2008 Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.