Frank Niessen, Entmachtet die Ökonomen!
„Offensichtlich will es den etablierten Ökonomen seit Generationen nicht gelingen, die Ursachen unserer Dauerkrisen richtig zu erfassen, geschweige denn zielführende Lösungen zu deren Überwindung anzubieten.“ (11)
Wie ist es möglich, dass eine Wissenschaft, die vorgibt, sich an naturwissenschaftlichen Prinzipien auszurichten und komplexe mathematische Modelle für die Wirtschaftsentwicklung zu berechnen, so wenig zur Verhinderung von Wirtschaftskrisen und zu ihren Lösungen beizutragen hat. Dieser spannenden Frage der Gegenwart geht der Wirtschaftswissenschaftler und Politologe Frank Niessen nach und kommt dabei zu erstaunlichen Antworten.
In den Kapiteln 1 bis 3 versucht Niessen seine 1. These zu untermauern, die lautet:
dass unsere Wirtschaftsexperten die Krisenerscheinungen der Gegenwart, deshalb nur unzureichend erfassen und deuten, weil sie zu einer besseren Analyse schlicht und einfach nicht in der Lage sind. (14)
Die weiteren Kapitel sollen zeigen, dass eine „völlig neue wissenschaftliche Herangehensweise und damit vermutlich auch neues, unbelastetes wissenschaftliches Personal“ (14) benötigt wird, um die anstehenden ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Probleme zu lösen.
In Kapitel 1 „Vorsicht Lehrbuchökonomie! Von blinden Flecken und nutzlosen Modellen“ bietet der Autor einen sehr persönlichen Einstieg in seine kritische Betrachtungsweise der etablierten Wirtschaftswissenschaften. Trotz eines ausgezeichneten Studienabschlusses ist er davon überzeugt:
Im Grunde hast du doch gar keine Ahnung von Wirtschaft! (17)
Die fehlende Aussagekraft zu realökonomischen Problemen wird zunächst an gängigen ökonomischen Modellen aufgezeigt, wie sie in den Lehrbüchern der Wirtschaftswissenschaften allgemein üblich sind. Dabei kommt auch zum Ausdruck, dass es der naturwissenschaftliche Anspruch mit den komplexen und schwierigen mathematischen Berechnungen ist, der einen kritischen Blick der Studenten auf ihr Fach verhindert. Es geht vor allem darum, die mathematischen Funktionen zu beherrschen, statt vorgebliche Gesetzmäßigkeiten auf ihren Wahrheitsgehalt in der Realität zu hinterfragen.
Dass dabei die wesentlichen Fragen der Ökonomie auf der Strecke bleiben, zeigt Niessen in seiner Auseinandersetzung mit unhinterfragten Paradigmen wie z.B „Wir brauchen mehr Wachstum“ oder „Wir müssen unsere Schulden abbauen“. Dabei zeigt er gerade bei letzterer Frage auf, dass der Abbau der Schulden aus systemimmanenten Gründen rein logisch gar nicht machbar ist.
In seinem zweiten Teil versuch Frank Niessen einen alternativen wirtschaftspolitischen Ansatz für „eine Welt ohne Armut und Umweltzerstörung“ (106) aufzuzeigen und „Überlegungen zur ethischen Dimension wirtschaftspolitischer Regulierung“ (111) zu berücksichtigen.
„Entmachtet die Ökonomen!“ bietet einen spannenden und Augen öffnenden Einblick in die fortwährenden Gesellschafts- und Wirtschaftskrisen unserer Gegenwart. Persönlich und auch für Nichtökonomen verständlich analysiert der Autor die tiefen Ursachen der Krisen, die vor allem auch als eine Krise der politisch tonangebenden neoliberalen Wirtschaftswissenschaften erscheint.
Ein überaus empfehlenswertes und um Verständlichkeit bemühtes Sachbuch zu einem Thema, das in der Zukunft noch für heftige Auseinandersetzungen sorgen wird.
Frank Niessen, Entmachtet die Ökonomen! Warum die Politik neue Berater braucht.
Marburg: Tectum Verlag 2016, 168 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-8288-3623-5
Weiterführender Link:
Tectum Verlag: Frank Niessen, Entmachtet die Ökonomen!
Andreas Markt-Huter, 19-05-2016