Gerhard Kofler, Meeressammlungen. / Collezioni marine

Manchmal erzählt ein winziger Druckfehler eine ganze Geschichte der Hoffnung und Unsterblichkeit. Im Abschlusskommentar zum dritten Band „Das Gedächtnis der Wellen“ von Gerhard Kofler wird sein letztes Gedicht auf 24. August 2015 datiert, ein logischer Gedanke, denn niemand kann es noch glauben, dass der Autor 2005 gestorben ist.

Der dritte Teil der Vermächtnis-Trilogie gibt den Abschnitten „Argentinischer Settebello“, „Allein und italienisch“ sowie „Meeressammlungen“ Quartier. Das Überraschende und beinahe Unglaubliche dieser Gedichte besteht in der einseitigen Sprache des Italienischen. Es wird stark gerätselt, warum Gerhard Kofler das Modell der Tandem-Dichtung aufgegeben hat, worin Italienisch – Deutsch zusammengeschweißt sind, undenkbar, dass man eine der beiden Sprachen herauslöste oder bevorzugte.

Der Grund für dieses „allein und italienisch“ dürfte simpler Zeitdruck gewesen sein, angesichts des Todes hat der Autor lieber noch mit den verbleibenden Kräften die Gedichte italienisch inszeniert, statt sie doppel-sprachig auszugestalten. Die Bevorzugung des Italienischen kommt mit einer simplen Zeile zum Vorschein, wonach es fast undenkbar ist, dass Deutschland ja auch ein Meer hat. Die Meeressammlungen Gerhard Koflers sind also italienisch zu denken.

Allein und italienisch // endlich befreit / sind / meine schultern // abgelegt / habe ich eine / inzwischen / unnötige / last // sohn / des laubs / lust auf blätter / fahre ich fort // wer mich / übersetzt / sitzt / an einem anderen tisch // er sticht in see / auf einem / anderen schiff // meine stimme / schaukelt auf den wellen / in herbstlicher / wiedergeburt (47)

Viele dieser letzten Gedichte sind explizite Verabschiedungs-Poems, etwa wenn das letzte Stipendium besungen wird, das man dem Todgeweihten noch gewährt hat, vielleicht aus Hilflosigkeit. Und im Kontext des Todes geraten auch scheinbar aus dem Alltag geschälte Beobachtungsstreifen zu einem EKG der letzten Herzschläge.

ich habe mich verabschiedet / von euren zerstreuten komplimenten / ich will sie nicht mehr [...] (79).

So sind diese einbeinigen Gedichte, denen das zweite Sprachbein fehlt, dann doch noch fixe Zeilen, die fließend hinüber gehen in jenen Zustand, den die Herausgeber unbewusst in die Gegenwart datiert haben. - Meeressammlungen bestückt mit den letzten Dingen.

Gerhard Kofler, Meeressammlungen. / Collezioni marine. Das Gedächtnis der Wellen. / La memoria delle onde. Band 3. Volume 3, hrsg. v. Furio Brugnolo / Hans Drumbl. Deutsch / Italienisch. übers. v. Leopold Federmair
Innsbruck: Haymon Verlag 2015, 229 Seiten, 19,90, ISBN 978-3-7099-7090-4

 

Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Gerhard Kofler, Meeressammlungen. / Collezioni marine
Wikipedia: Gerhard Kofler

 

Helmuth Schönauer. 21-01-2016

Bibliographie

AutorIn

Gerhard Kofler

Buchtitel

Meeressammlungen

Originaltitel

Collezioni marine. La memoria delle onde, Volume 3

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Haymon Verlag

Herausgeber

Furio Brugnolo / Hans Drumbl

Reihe

Das Gedächtnis der Wellen, Band 3

Übersetzung

Leopold Federmair

Seitenzahl

229

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7099-7090-4

Kurzbiographie AutorIn

Gerhard Kofler, geb. 1949 in Bozen, starb 2005 in Wien.