Gerald Hüther / Christoph Quarch, Rettet das Spiel!

„Wer spielt, konsumiert nicht. Wer spielt, benutzt nicht. Wer spielt, begegnet dem anderen als einem Gegenüber auf Augenhöhe. Deshalb ist das Spiel in einer von der instrumentellen Vernunft des Ökonomismus beherrschten Welt eine subversive Kraft. Spiele öffnen Räume unbedingter Sinnhaftigkeit, auch wenn kein Zweck verfolgt und kein Nutzen anvisiert wird.“ (17)

Spielen ist mehr, als nur eine Möglichkeit die Langeweile zu vertreiben. Spielen ist das Wechselspiel aus Versuch und Irrtum, mit dem es bereits unseren Vorfahren gelungen ist, immer neue Entdeckungen und Entwicklungen zu machen. Das Spiel ist dem Menschen genetisch vorgegeben, er muss seine Möglichkeiten erst durch spielerisches Lernen entwickeln.

Gerald Hüther und Christoph Quarch nähern sich dem Phänomen „Spiel“ aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Dabei ist es ihnen wichtig, gerade in einer fortschreitend funktionalisierten und ökonomisierten Gesellschaft, den Selbstzweck des Spiels zu betonen, um dem Ernst des Lebens mit Lebendigkeit, Leichtigkeit und Lebenslust zu begegnen. Anhand von fünf Punkte wird die Bedeutung des Spiels für das menschliche Leben erläutert.

Zunächst spielen wir alle bereits, wenn wir unser mögliches Handeln in Form von Gedankenspielen durchprobieren. Zweitens haben Menschen immer schon gespielt, wie sich aus alten Höhlenzeichnungen erkennen lässt. Drittens spielen nicht nur Menschen sondern auch alle Tiere, deren Verhalten nicht durch genetische Programme festgelegt ist. Viertens wäre Kreativität ohne spielerisches Ausprobieren nicht denkbar. Die entscheidenden Ideen für neue Entdeckungen entstehen nicht am Schreibtisch sondern „im Halbschlaf, oder nachmittags bei einem Spaziergang oder abends unter der Dusche.“ (12) Als letzten aber nicht unwesentlichsten Punkt heißt es:

Ohne das Spiel, gäbe es keine Schönheit. (13)

In sechs Kapiteln setzen sich die Autoren mit dem Phänomen Spiel auseinander wobei im Kapitel „Feuerwerk für graue Zellen“ das menschliche Spiel aus der Sicht der biologischen Grundlangen analysiert und gezeigt wird, dass bereits auf genetischer Ebene, das Spiel als Versuch und Irrtum einen entscheidenden Faktor spielt. Das zweite Kapitel nähert sich dem Spiel aus einer philosophiegeschichtlichen Richtung und die zeigt dessen Bedeutung für die Entwicklung des abendländischen Geistes.

Im dritten Kapitel werden bereits die Gefahren vorgestellt, denen das Spiel und damit auch die Menschen ausgesetzt sind, wenn das Spielfeld zunehmend zum Marktplatz wird und sie alle Lebensbereiche der Ökonomie unterordnen, wenn der Homo ludens zum Homo oeconomicus wird.

Der Homo oeconomicus ist ein Spielverderber.

Er verwechselt Gewinn machen mit gewinnen und instrumentalisiert das Spiel für spielfremde Zwecke. Die Ökonomisierung konvertiert die Spiele zur Ware, zu Konsumartikeln und verdirbt die Bedürfnisse des Menschen zu spielen zur Sucht und Abhängigkeit.

Das Kapitel „Inseln der Lebendigkeit“ stellt das Wesen des ursprünglichen Spieles vor, das sich gegenüber anderen menschlichen Tätigkeiten durch ein Spielfeld, Spielregeln und eine Spieldauer. Als zentrale Wesensmerkmale für ein gelingendes Spiel erscheinen: die Verbundenheit mit anderen Mitspielern oder Zuschauern, die Freiheit auszuprobieren und die Darstellung.

Die abschließenden Kapitel werben für eine spielerische Lebenskunst, die den menschlichen Alltag in allen Lebensbereichen, ob in der Partnerschaft, in der Familie, in der Schule aber auch in Unternehmen und in der Politik lebendiger und schöner werden lässt.

„Rettet das Spiel!“ verbindet die Begeisterung für das Lebensprinzip Spiel mit fundiertem Fachwissen aus den Bereichen Neurobiologie, Genetik, Philosophie, Psychologie, Soziologie und Ökonomik und leitet aus diesen unterschiedlichsten Perspektiven die Wichtigkeit des Spiels für das Leben des Menschen her. Gerade in einer Zeit, in der alles dem wirtschaftlichen Zweck und dem Streben nach Gewinn untergeordnet wird, kommt dem sich selbst genügsamen Spiel eine immer größere Bedeutung zu.

„Rettet das Spiel“ ist ein ebenso überzeugendes wie starkes Plädoyer für das Spiel und für die Grundwerte und Grundprinzipien erfüllten menschlichen Lebens. Aber auch eine Warnung davor, wie die zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche diese Werte gefährden. Ein überaus empfehlenswertes Sachbuch, das zum Nachdenken, vor allem aber zum Spielen anregt.

Gerald Hüther / Christoph Quarch, Rettet das Spiel! Weil Leben mehr als Funktionieren ist
München: Hanser Verlag 2016, 224 Seiten, 20,60 €, ISBN 978-3-446-44701-1

 

Weiterführende Links:
Hanser Verlag: Gerald Hüther / Christoph Quarch, Rettet das Spiel!
Wikipedia: Gerald Hüther
Wikipedia: Christoph Quarch

 

Andreas Markt-Huter, 04-11-2016

Bibliographie

AutorIn

Gerald Hüther / Christoph Quarch

Buchtitel

Rettet das Spiel! Weil Leben mehr als Funktionieren ist

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Hanser Verlag

Seitenzahl

224

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-446-44701-1

Kurzbiographie AutorIn

Gerald Hüther ist Neurobiologe und Autor. Er lebt in der Nähe von Göttingen.<br />Christoph Quarch ist Philosoph, Autor, Berater und Keynote-Speaker. Er begleitet Unternehmen und unterrichtet an verschiedenen Hochschulen. Er lebt mit seiner Familie in Fulda.