Martin Kolozs, Sommer ohne Sonne

Als Katastrophe gilt im Tourismus generell jedes Phänomen, wonach die Jahreszeiten aus dem gewohnten Bild ausbüchsen. Winter ohne Schnee, Herbst ohne Blätter, Frühjahr ohne Blüten gelten als Desaster.

Martin Kolozs nimmt diese negativen Idealbilder zum Anlass, um darin eine Künstler-Karriere zu installieren. Sommer ohne Sonne zeigt einen Mann, der am Höhepunkt seiner Liebes- und Genitalfähigkeit ohne Sonne einem diffusen Horizont entgegen dämmert.

Held dieser beinahe expressionistischen Seelenwitterung-Erzählung ist Martin Sauerwein, der schon seit Jahrzehnten die Sommer im Norwegischen Ferienhaus verbringt. Wie in einem Ibsen-Drama sind nur ein paar Figuren notwendig, um das Selbst-Verrannte des Helden zu zeigen.

Ein paar Nachbarn, ein Handwerker für das Grobe und ein Ersatzpastor für das Innere genügen, um die sehr unbefestigte Psyche von Martin Sauerwein auszuleuchten. Und der harte Kern des Lebensinhaltes wird von Frauen auf Betriebstemperatur herunter gekühlt.

Die Nachbarsfrau legt quasi vor den Augen ihres Mannes diverse Seitensprünge mit dem Sommergast hin, die Erotik funktioniert wie ein Rasen, wenn er gut vertikutiert ist. An diesem speziellen Sommer der Gegenwart ist die Journalistin Flora zu Gast und schreibt eine Biographie über Martin, der das Jahr über erfolgreicher Theaterrezensent sein dürfte. Auch sie entkommt dem Sex ohne Sonne keinesfalls und stellt ihn zumindest auf die Probe und zur Diskussion.

Während der Porträt-Arbeit stoßen sie auf Cäcilia, die seinerzeit von Martin porträtiert worden ist als Urmodell einer Frau jenseits des Sex, die im Altersheim nach umständlichem Leben mit einem Mann offensichtlich noch die Kraft für den Suizid hat.

Martin Sauerwein ist ziemlich frustriert über das ganze Leben, das einem Sommer ohne Sonne gleicht. Die äußere Ordnung stört gerade eine Einbrecherbande, die die entlegenen norwegischen Ferienhäuser heimsucht, Theaterrezensent ist er seinerzeit nur geworden, weil er gratis Eintrittskarten dafür bekommen hat, die Liebe lässt sich allmählich abrunden als frustrierende Erkenntnis:

Fürchte die große Liebe, denn sie endet immer im Kummer. (95)

Die Erzählung endet wie ein starker Abgang von schwachen Helden auf der Bühne. Was soll ich ihr sagen, wenn sie anruft, fragt die Nachbarin den Helden. Dass es aus ist! - Für diesen Zustand braucht es keine Gespräche mehr.

Martin Kolozs sägt seine Erzählung sorgfältig aus der Aura einer norwegischen Landschaft, Innen- und Außensicht, Rückblende und rückwärtsgewandte Gegenwart, Wunschbild im Porträt und Stiefelabdruck in der Realität eines nassen Rasens im Vorgarten sind grüblerisch fein austariert und zeigen, dass der Held die Sonne wohl selbst aus dem Sommer abgehängt hat. - Psychologisch elegantes Kleinod.

Martin Kolozs, Sommer ohne Sonne
Hohenems: Bucher Verlag 2016, 99 Seiten, 13,50 €, ISBN 978-3-99018-367-0

 

Weiterführende Links:
Bucher Verlag: Martin Kolozs, Sommer ohne Sonne
Wikipedia: Martin Kolozs

 

Helmuth Schönauer, 16-04-2016

Bibliographie

AutorIn

Martin Kolozs

Buchtitel

Sommer ohne Sonne

Erscheinungsort

Hohenems

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Bucher Verlag

Seitenzahl

99

Preis in EUR

13,50

ISBN

978-3-99018-367-0

Kurzbiographie AutorIn

Martin Kolozs, geb. 1978 in Graz, lebt in Innsbruck und Wien.