Tobia Moroder (Hg.), Die Dolomitenladiner

Es gibt so geheimnisvolle Landschaften, die man eher mit einem Märchen- oder Sagenreich verbindet als mit einem Staat. Und wenn aus einer Gegend ständig hervorragende Musiker, Maler, Schnitzer und Sprachkünstler kommen, dann wird jeder neugierig.

Tobia Moroder behandelt in seinem Kulturführer die Dolomitenladiner augenzwinkernd wie ein großes Volk. Auch bei den Ladinern tauchen Römer, Germanen und andere Völker auf, auch über die Ladiner wird immer wieder ein Netz geographischer Vermessung gelegt, und die daraus gezogenen Grenzen entsprechen nicht immer der Logik. Aber vielleicht macht gerade die Tatsache, dass die ladinische Kultur auf fünf Täler und drei Provinzen verteilt ist, die Dolomitenladiner so selbstbewusst und stark.

Gröden, Gadertal, Fassatal, Buchenstein und Ampezzo leisten sich nämlich den Luxus einer eigenen Sprache, Landschaft und Literatur. Das Selbstbewusstsein führt auch zu einem einzigartigen Umgang mit der Kultur, für Einheimische wie für Gäste ist es nämlich ein Geschenk, sich in diesen Gefilden und in dieser Gedankenwelt bewegen zu dürfen.

Für diesen handlichen Überblicksführer haben Fachleute aus Geographie, Architektur, Brauchtum, Literatur, Musik und Küche die Besonderheiten zusammengetragen, die vielleicht ihren Höhepunkt in der archaischen Sagenwelt der Fanes, im Rosengarten König Laurins und in der Mythologie der bleichen Berge finden.

Biographien von Künstlern zeigen, wie diese geheimnisvolle Welt mit der internationalen Szene in Verbindung gebracht wird, der musikalische Gigant Giorgio Moroder mag hierfür ein Beispiel sein. Dass es mit den Größenverhältnissen daheim und in der Weltstadt auch Probleme der Selbsteinschätzung geben kann, zeigt Luis Trenker, der mit seiner berüchtigten Hut-Bewegung alles Fehlverhalten beiseite gewischt hat.

Neben dem hilfreichen Verzeichnis von Institutionen, Kultureinrichtungen und Museen ist es vor allem ein Mini-Lexikon, das Sprachinteressierte erfreut. Wie reden denn nun diese Menschen, von denen wir so hingerissen reden?

Nach einer kleinen Grammatikeinführung sind in einer Tabelle die wichtigsten Wörter in allen Tal-Schattierungen aufgelistet, Essen, Zahlen, Jahreszeiten, guten Tag, auf Wiedersehen. Einen kleinen Schwerpunkt stellt dabei die Natur dar, was als Hinweis zu deuten ist, dass die Gegenden in den Dolomiten aus reiner Natur bestehen. Untereinander gelesen ergeben diese Begriffe ein großes Gedicht von den Dolomitenladinern.

Wasser, Baum, Alm, Tier, Wald, Himmel, Bäume, See, Mond, Berg, Schnee, Wolke, Joch, Regen, Wiese, Stein/Fels, Weg, Sonne, Stern. (108)

Die zeitgenössischen Autorinnen und Autoren haben mit diesem Kosmos längst das Regionale verlassen und erschließen diese einzigartige Welt den Interessierten auf Weltniveau.

Tobia Moroder (Hg.), Die Dolomitenladiner. Mensch, Landschaft, Kultur
Wien, Bozen: folio Verlag 2016, 120 Seiten, 8,40€, ISBN 978-3-85256-691-7

 

Weiterführender Link:
Folio Verlag: Tobia Moroder (Hg.), Die Dolomitenladiner

 

Helmuth Schönauer, 20-05-2016

Bibliographie

Buchtitel

Die Dolomitenladiner. Mensch, Landschaft, Kultur

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Folio Verlag

Herausgeber

Tobia Moroder

Seitenzahl

120

Preis in EUR

8,40

ISBN

978-3-85256-691-7

Kurzbiographie AutorIn

Tobia Moroder, geb. 1982, lebt in St. Ulrich, Gröden, wo er gerade Bürgermeister ist.