Dine Petrik, Funken. Klagen

In der Lyrik ist nichts selbstverständlich, wenn man glaubt, eine Fügung würde etwas genau beschreiben, so liegt daneben eine noch genauere, die es noch genauer sagt.

Dine Petrik arbeitet in einem doppelten Veredelungsprozess. Zuerst wird der Stoff poetisiert, und dort, wo scheinbar schon die Gedichte fertig sind, kommen sie noch einmal ins Galvanisierungs-Bad und erhalten eine Zeit-feste Außenhaut. Wo man bereits mit Funken schlagen in die Gewissheit gelenkt wird, kommt eine neue Perspektive hinzu, der Titel der Gedichtsammlung heißt folglich richtig „Funken.

Punkt. Klagen“. Dabei können diese Klagen neben den Qual-Lauten der Seele auch etwas durchaus Klein-nerviges bedeuten, die Klagen, mit dem sich das Volk im Nachbarschaftsstreit oft großmundig eindeckt.

Die Gedichte sind nicht in einem Quellverzeichnis verortet sondern kleben in Fließtextmanier aneinander, freilich sind sie durch semantische Spatenstiche unterteilt in Burlesk, Pittoresk, Grotesk.

In einem Vorspann wird der Stadt Palmyra gedacht, dabei erweckt diese magische Ortsbezeichnung nicht nur Erinnerungen an das kürzlich zerstörte Weltkulturerbe in Syrien, sondern zeigt, indem es von der Jungsteinzeit an alle Gedächtnisschichten aufzählt, auch etwas von der Unerschütterlichkeit der Lyrik. Wie diese wird Palmyra neu aufgebaut, wobei die Bausteine dieses mal aus dem 3-D-Drucker kommen.

In diesen zeitlosen Raster der Archäologie bettet das lyrische ich auch seine individuellen Erinnerungen und Toten.

jetzt, wo ich die letzten toten / dem heimatboden überließ / will ich drei nächte wachen / sehen ob mir was bleibt (26)

Wie sehr sich Arbeitsweise, Titel und Sinnverschränkung in den Text verkrallen können, zeigt das kleine Text-Versteck:

(verrückt) // sich auf die eine andere / seite schlagen funken / klagen im gesträuch / der wimpern den orion / bis die nacht / die tausend eine - (33).

Eine Besonderheit liegt in der fließenden Verschränkung der einzelnen Gedichte, anhand einer Begriffskette wandert das lyrische Ich eine japanische Route entlang: Ferne Stühle, Fuji, Fujisan, Fudschijama, Fukuschima lassen eine poetische Dokumentation entstehen, welche die alltäglichen Berichte aus Unglücken zwischen Vulkan und Radioaktivität mit einer Halbwertszeit überlagern, die vielleicht dem ausgesetzten Individuum entspricht.

In der grotesken Abteilung schließlich macht sich das lyrische Ich mit zu kleinen Schuhen auf, um endgültig von dem wegzugehen, was Kindheit genannt wird. Lach nur, sagt später das lyrische Ich, wenn es ein paar Flunsen aus dem Filz der Erinnerung zieht und merkt, es ist ein Liebesgedicht von der Unsterblichkeit.

Dine Petrik, Funken. Klagen. Gedichte
Weitra: Bibliothek der Provinz 2016, 84 Seiten, 13,00 €, ISBN 978-3-99028-542-8

 

Weiterführende Links:
Bibliothek der Provinz: Dine Petrik, Funken. Klagen. Gedichte
Wikipedia: Dine Petrik

 

Helmuth Schönauer, 08-06-2016

Bibliographie

AutorIn

Dine Petrik

Buchtitel

Funken. Klagen. Gedichte

Erscheinungsort

Weitra

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Bibliothek der Provinz

Seitenzahl

84

Preis in EUR

13,00

ISBN

978-3-99028-542-8

Kurzbiographie AutorIn

Dine Petrik, geb. 1942 im Burgenland, lebt in Wien.