Giancarlo De Cataldo / Carlo Bonini, Die Nacht von Rom

Als die scheinbar ewigste Stadt der Welt besteht Rom einerseits aus lauter Kleinodien triefend vor Geschichte, andererseits aus brutalster Schwarzweiß-Szenerie wie in einer vom Staat aufgegebenen mexikanischen Stadt.

Giancarlo De Cataldo und Carlo Bonini kriegen ihren Stoff Nacht für Nacht vor die Haustüre gekarrt, sie brauchen im Prinzip bloß sorgfältig die Fälle aus Justiz und Chronik abzuschreiben und haben schon einen Thriller. „Die Nacht von Rom“ ist eine Fortsetzungsgeschichte ohne Anfang und Ende, nicht einmal die Helden wissen in diesen Folgen, ob sie dieses Mal die ultimative Macht an sich reißen können oder unter Folter liquidiert werden.

In anarchistischen Szenerien ist es besonders schwer, Ordnung in das handelnde Personal zu bekommen, deshalb gibt es im Thriller wie in einem echten Drama eine Liste der Akteure. Die einzelnen Typen sind austauschbar, aber das große Kastenwesen des Verbrechens bleibt immer gleich: Die aus den Palästen / Die aus der Zwischenwelt / Die von der Straße / Der Chor. Im Chor sind letztlich alle ausgestellt, die nur eine Fußnote abgeben, wie Advokaten, Carabinieri, schlaue Albaner, erregte Escort-Ladies, mannhafte Priester oder stattliche Sternchen.

Die große Aktion wird vom neuen Papst ausgelöst, der völlig naiv ein Heiliges Jahr ausruft, ohne zu bedenken, was das für Rom bedeutet. So ein Jahr nämlich ist Olympia, Wallfahrt, WM und Kongress in einem, es löst einen Bauboom aus und lässt die Korruptionisten aus dem ganzen Land zusammenströmen.

Der neue Papst bringt Unruhe in die Geschäfte, weil er neue Leute installiert, die erst für das System gefügig gemacht werden müssen. Sein Gegenspieler ist ein gewisser Samurai, der in Askese im Gefängnis hockt und das Land regiert.

Am Beispiel eines U-Bahn-Astes wird vorgeführt, wie solche Bauvolumina abgewickelt werden. Zuerst springen die Kosten in die Höhe, dann wird die Strecke verkürzt, und am Schluss lässt man die Stationen weg, so dass die Röhre nicht einmal mehr zum Wasser Abschlagen taugt.

An der Oberfläche hat so ziemlich jeder Dreck am Stecken, der an zwei Tagen hintereinander ins selbe Büro geht. Dem Vizebürgermeister wird eine erbärmliche Sex-Affäre zum Verhängnis, die Müll-Mafia setzt zum Generalstreik an, in der Nacht brennt es an allen Ecken und Enden. Nach schwerwiegenden Ereignissen wird die Lage analysiert.

Vergiss die Linken. Italien ist ein rechtes Land. Der Bodensatz ist zutiefst reaktionär. (117)

Zum Beweis dieser latenten Gewaltbereitschaft werden immer wieder Erschießungen, Hinrichtungen und Folterungen geschildert. Aus der Innensicht erlebt der Leser etwa, wie dem Delinquenten das Auge ausgeschlagen wird, sodass es seitlich heraushängt und völlig unkoordiniert Bilder von der eigenen Hinrichtung sendet.

„Rom soll an seinem eigenen Dreck ersticken“, (234) flucht ein Nachwuchsgangster und legt einen Retour-Gang ein, nachdem er sich verfahren hat. - Das tut Rom natürlich nicht, schließlich setzt es auf Ewigkeit, und wenn das Heilige Jahr vorbei ist, gibt es sicher das nächste Verbrechen.

Giancarlo De Cataldo / Carlo Bonini, Die Nacht von Rom. Thriller, a. d. Ital. von Karin Fleischanderl [Orig.: La Notte di Roma, Turin 2015]
Bozen, Wien: folio  Verlag 2016, 303 Seiten, 24,00 €, ISBN 978-3-85256-700-6

 

Weiterführende Links:
Folio Verlag: Giancarlo De Cataldo / Carlo Bonini, Die Nacht von Rom
Wikipedia: Giancarlo De Cataldo
Wikipedia: Carlo Bonini (ital.)

 

Helmuth Schönauer, 25-09-2016

Bibliographie

AutorIn

Giancarlo De Cataldo / Carlo Bonini

Buchtitel

Die Nacht von Rom. Thriller

Originaltitel

La Notte di Roma

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Folio Verlag

Übersetzung

Karin Fleischanderl

Seitenzahl

303

Preis in EUR

24,00

ISBN

978-3-85256-700-6

Kurzbiographie AutorIn

Giancarlo De Cataldo, geb. 1956 in Taranto, lebt als Schriftsteller und Richter in Rom.<br />Carlo Bonini, geb. 1967 in Rom, ist Investigativ Journalist bei „La Republica“.