Percy Bysshe Shelley, Die Wolke

„Ich bringe den Regen für das dürstende Leben von den Strömen und Seen; ich trage den Schatten für die Blätter die matten, die des Mittags zum Träumen gehen.“

Was auf den ersten Blick vollkommen gegensätzlich erscheinen mag, verbindet sich in der Umsetzung zu einer bild- und sprachgewaltigen Ode an die Gebundenheit des Menschen an die Natur.

Percy Bysshe Shelley, der große Dichter der englischen Romantik und der Graphiker Dirk Steinhöfel, der seine Bilder vollständig am Computer generiert, gehen in dem großen Lyrik-Bildband eine überaus aufregende Symbiose ein, in der sich das Gedicht „Die Wolke“ einem jungen, neuen Publikum attraktiv erschließt.

Einen großen Anteil an dem bemerkenswerten Ergebnis dieser ganz besonderen Verbindung von Lyrik und Bild hat auch die überzeugende Übersetzung von Shelleys Gedicht durch Andreas Steinhöfel, die ihr besonderes Augenmerk auf den Reim und den Sprachfluss legt und den Sprachbildern im Zweifelsfall vor einer wortwörtlichen Übertragung den Vorzug gibt.

Dirk Steinhöfel vollzieht in seinen Illustrationen, die Identifikation des Menschen mit der Natur und bewegt sich damit ganz im Sinne der Romantik, wo Naturphänomene als Metaphern für das menschliche Leben verstanden worden sind. Und so stellt Dirk Steinhöfel in seinen Bildern einen Menschen, einen Jungen in den Mittelpunkt der Geschichte, der sich auf den Weg macht, um die Elemente der Natur einzufangen und zu beherrschen.

Auf dem ersten Bild erkennen wir durch ein verregnetes Fenster einen verträumten, an einer Bank sitzenden Jungen. Die Szenerie liegt in der Vergangenheit, vielleicht 100 Jahre zurück. Der Junge packt einen alten Lederkoffer mit Einweckgläsern, einem Modellboot und einer Ansichtskarte und begibt sich auf seinen einsamen Weg in die Natur. Auf einer wunderschönen Blumenwiese strahlt durch den wolkenbedeckten Himmel die Sonne und wirft die Welt in ein magisches Zwielicht. Genau an dieser Stelle setzt Shelleys Gedicht nun ein.

Wir begleiten den Jungen weiter durch seine Reise durch eine herbstliche Landschaft, bis er schließlich die Künste des Meeres erreicht und er mit seiner Flöte die Geister des Wassers herbeiruft. Sein nächster Weg führt ihn mit einem Ballon durch die Lüfte in die hohen Gebirge. Von überall her nimmt er Teile für eine Art Wettermaschine mit, für die er auch die vier Elemente in Einweckgläsern gesammelt hat. Später begegnen wir noch einem Mädchen und am Schluss einem Jungen, die sich ebenfalls auf die Suche nach der Wettermaschine machen.

Dirk Steinhöfel gelingt mit seinen Bildern, was Shelley mit seinem Gedicht erreicht: er eröffnet ein Stimmungs- und Farbenmeer der Fantasie und Rhythmik. Dabei scheint Steinhöfel nicht nur von Percy Shelley sondern auch von dessen Frau Mary Shelley und ihrem Frankenstein inspiriert worden zu sein und ihrer Auseinandersetzung von Natur, Technik und Mensch. Auch in der Darstellung des ewigen Rhythmus von Scheitern und Neubeginn ergänzen sich die ausdrucksstarken Bildern und die Lyrik Shelleys zu einem harmonischen Ganzen.

Ein wunderschönes Buch, wo Bild und Text gleichermaßen zum Denken und Meditieren anregen und das junge und ältere Leserinnen und Leser gleichermaßen anspricht.

Percy Bysshe Shelley, Die Wolke. Ill. v. Dirk Steinhöfel, übers. v. Andreas Steinhöfel, ab 5 Jahren
Hamburg: Oetinger Verlag 2011, 128 Seiten, 20,60 €, ISBN 978-3-7891-7147-5
 

Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 19-04-2012

Bibliographie

AutorIn

Percy Bysshe Shelley

Buchtitel

Die Wolke

Originaltitel

The Cloud

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Oetinger

Illustration

Dirk Steinhöfel

Übersetzung

Andreas Steinhöfel

Seitenzahl

128

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-7891-7147-5

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Percy Bysshe Shelley gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der englischen Romantik. Das Gedicht „The Cloud“ (Die Wolke) entstand kurz vor seinem Tod und zählt zu seinen Hauptwerken. Er starb 1822 bei einem Segelunfall in Italien.<br /> Dirk Steinhöfel studierte Gestaltung und Entwurf an der Fachschule für Porzellan und Keramik in Selb. Er ist als freier Gestalter, Illustrator und Autor tätig und lebt in der Nähe von Marburg.<br /><br /> Andreas Steinhöfel ist ein deutscher Kinder- und Jugendbuchautor. Er schreibt zudem Drehbücher und ist als Übersetzer tätig.