Jenny Downham, Ich gegen dich
„Sie hat gesagt, ich soll in meinem Scheiß-Bikini auf eine Party gehen können, wenn ich will. Ich soll tanzen, trinken und spät nach Hause kommen können. Ich soll sogar Tom Parker bis zur Bewusstlosigkeit abknutschen dürfen, alles das heißt noch lange nicht, dass er mit mir machen darf, was er gemacht hat.“ (292)
Die fünfzehnjährige Karyn McKenzie ist auf einer Party von Tom Parker vergewaltigt worden. Während Karyn in tristen sozialen Verhältnisse, gemeinsam mit ihrer alkoholsüchtigen Mutter, ihrem älteren Bruder Mickey und ihrer kleinen Schwester Holly in einer kleinen Wohnung in einem Hochhaus lebt, ist Tom Parker ein Sohn aus reichem Haus, dessen Eltern die besten Anwälte engagieren, um ihn vor einer Anklage wegen Vergewaltigung zu schützen.
Seit dem Vorfall mit Tom gerät das Familien der McKenzies immer mehr aus dem Ruder. Karyn gelingt es nicht mehr ihre Wohnung zu verlassen, oder die Schule zu besuchen und auch ihre Mutter beginnt immer mehr trinken und alles zu vernachlässigen. Die ganze Last des Familienlebens bleibt auf Mickeys Schultern liegen, der sich nun sowohl um Karyn als auch seine kleine Schwester Holly kümmern muss und außerdem die schlimmsten Exzesse seiner Mutter verhindern soll. Er verspricht seiner Schwester sie für die Vergewaltigung zu rächen und macht sich auf den Weg zu Tom Parker.
Als Mickey mit einem Schraubenschlüssel in der Tasche vor Tom Parkers Villa erreicht, öffnet ihm dessen attraktive Schwester Ellie Parker die Tür, die ihn vom ersten Augenblick an in ihren Bann zieht. Er erfährt, dass Tom auf Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen wird und mit einer Willkommensparty begrüßt werden soll. Nachdem sich für Mickey und seinen Freund Jacko auf der Party keine Gelegenheit ergibt Tom Parker zu stellen, beschließt Mickey Ellie Parker zu benutzen, um an Informationen über Tom zu kommen.
Auch in Tom Parkers Familie liegen seit der Festnahme Toms wegen Vergewaltigung die Nerven blank. Vor allem Toms Vater schwört die Familie auf Toms Unschuld ein, der Opfer eines abgewiesenen, betrunkenen Teenagers geworden sei. Und auch für Ellie entwickelt sich der Schulbesuch immer mehr zu einem Spießrutenlauf zwischen jenen, die Tom für unschuldig und Karyn für eine Schlampe halten und Karyns Freunden, die Ellie nicht glauben wollen, nichts von der Vergewaltigung bemerkt zu haben.
Ellie schickt Mickey eine SMS, um sich mit ihm am Friedhof zu treffen, ohne zu ahnen, dass es sich bei Mickey um Karyns Bruder handelt. Trotz aller Bemühungen gelingt es Mickey nicht Ellie Informationen zu entlocken, vielmehr begeistert sie ihn durch ihre Intelligenz und Schlagfertigkeit. Mickey und Ellie verbringen nach langer Zeit einen entspannten und wunderschönen und Nachmittag miteinander, verlieben sich und geraten immer stärker unter den Druck und die Erwartungen ihrer Familien.
Als Ellie durch Zufall erfährt, dass Mickey Karyns Bruder ist, droht die junge Beziehung auch schon gleich wieder in die Brüche zu gehen. Aber auch Ellie muss sich eingestehen, dass sie von der Vergewaltigung mehr weiß, als sie selbst bislang wahrhaben wollte.
Jenny Downhams Jugendroman „Ich gegen dich“ steht das Verhältnis zwischen Männern und Frauen, zwischen Reich und Arm sowie zwischen Liebe und Sexualität und deren mitunter unscharfe Grenzen im Mittelpunkt der Handlung. Aus der Perspektive der Familien des Opfers und des Täters werden die persönlichen, psychischen und sozialen Auswirkungen einer Vergewaltigung und deren Folgen anschaulich geschildert.
Überaus geschickt betet Downham das Thema „Vergewaltigung“ in eine „Romeo und Julia-Liebesgeschichte“ ein, in der die Beweggründe der einzelnen Familienmitglieder überaus plastisch gezeichnet werden. Besonders der soziale Kontrast zwischen den armen McKenzies , die in einer Hochhauswohnung von Sozialhilfe lebt und den reichen Parkers, die in einer Villa mit riesigem Garten und eigenem Zugang zum Fluss lebt, zeigt auf, dass die Liebe sämtliche Grenzen zu überwinden vermag.
Neben der Liebe steht auch die Familie und deren Schutz in schwierigen Zeiten im Mittelpunkt der Handlung, wobei es Jenny Downham gelingt, mit viel Einfühlungsvermögen die Ängste, den Zorn und die Hilflosigkeit der betroffenen Personen zu schildern und aufzuzeigen wie viel Mut es braucht, sich der eigenen, von allen Seiten bedrohten Wahrheit zu stellen. Das versöhnliche Ende lässt die Leserinnen und Leser mit einem Ausblick der Hoffnung zurück. Ein starkes, anregendes und überaus empfehlenswertes Buch, wie geschaffen für einen großen Film.
Jenny Downham, Ich gegen dich. Übers. v. Astrid Arz [Orig. You against me], ab 13 Jahren
München: Cbt 2012, 384 Seiten, 15,50 €, ISBN 978-3-570-16138-8
Weiterführende Links:
Cbt-Verlag: Jenny Downham, Ich gegen dich
Wikipedia: Jenny Downham
Andreas Markt-Huter, 19-09-2012