Elisabeth Zöller, Der Krieg ist ein Menschenfresser

„Weißt du, Junge“, begann sein Vater die Unterhaltung nun. Sein Ton war ganz ruhig und sachlich, als wollte er etwas erklären. „Wir müssen uns nicht nur daran gewöhnen, dass Menschen weggehen. Wir müssen uns vor allem daran gewöhnen, dass sie nicht wiederkommen.“ (44)

„Der Krieg ist ein Menschenfresser“ schildert berührend, wie das Schicksal das Leben junger Menschen im 1. Weltkrieg aus ihrer Bahn wirft und nichts als Unglück, Schuld und Leid zurück bleiben.

Ferdinand Frenzel, ein begeisterter Fußballspieler, kommt aus einer Arbeiterfamilie in Leipzig. Sein Vater Gustav ist Gewerkschaftssekretär und Anhänger von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die den deutschen Militarismus und den Krieg kategorisch ablehnen. Auch Helga, Ferdinands Mutter, lehnt den Krieg ab und ist enttäuscht und verzweifelt als sich Ferdinand freiwillig zum Krieg meldet.

Dabei lässt sich Ferdinand nicht von der Kriegsbegeisterung bei Kriegsbeginn anstecken wie sein Freund August Zerbe, in dessen Schwester Anni Ferdinand verliebt ist. Sein Hauptmotiv für die Flucht in den Krieg ist die aussichtlose Liebe zu ihr, vor allem nachdem er glaubt, dass Anna sich mit Ernst Duncker, dem Sohn eines Druckereibesitzers, verloben wird.

Sowohl Ferdinands Vater, der sich nur einen Kampf gegen Ungerechtigkeit, Willkür, gegen Dummheit oder gegen den Staat und die Obrigkeit vorstellen kann, ist von seinem Entschluss entsetzt, als auch seine Mutter.

„Du bist ihr in den Rücken gefallen“, fuhr der Vater fort. „Du bist ein Teil der Dummheit, die sie bekämpft.“ Der Vater räusperte sich. „Aber sie liebt dich.“ (41)

Schon bald nach Ankunft an der Front, zeigt der Krieg sein wahres grausames Gesicht und Ferdinand beschließt, seine Eindrücke vom Krieg festzuhalten und zu fotografieren, um den Krieg zu dokumentieren, wie er wirklich ist. Als es zu den ersten verbotenen Verbrüderungsszenen mit dem Feind kommt, wird es auch für Ferdinand schwieriger, seine Fotos und Aufzeichnungen vor der Zensur fernzuhalten.

Im zweiten großen Abschnitt des Buchs wechselt der Blickwinkel auf den jungen Fähnrich Max Quinte, den Sohn des Berliner Industriellen Theo Quinte, ein Patriot und treuer Verfechter des Kaisers. Ehrgeizig und unbekümmert wird er von seinem Vorgesetzten Feldwebel Pfals zu einem Spezialeinsatz eingeteilt, bei dem sie drei Soldaten töten und bei einem Artillerieangriff später selbst verletzt werden.

Im Lazarett findet Max einer Kuriertasche, aus der ersichtlich wird, dass er und Pfals eigene Soldaten erschossen hatten. Die Tasche gehörte Ferdinand Frenzel, der mit seinem Fotos und Aufzeichnungen beweisen wollte, dass Pfals im Auftrag einer Behörde, eigene Kameraden ermordet hat, um zu verhindern, dass die Wahrheit über den Krieg ans Licht kommt.

Max ist von dieser Erkenntnis so entsetzt, dass er beschließt Ferdinands Aufgabe zu vollenden. Im Lazarett bittet er seinen blinden Kameraden Werner Knievel die Tasche heimlich für ihn mit nach Berlin zu nehmen. Nach einem Nervenzusammenbruch und der Weigerung, je wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen, wird Max nach Hause gebracht, wo sich Sophie, um Max kümmert.

Sophie gehört nach dem Tod ihrer Eltern die Hälfte des gemeinsamen Unternehmens mit Theo Quinte, der ihr Eigentum bis zu ihrer Volljährigkeit verwalten soll. Während Sophie als Freigeist erzogen worden war, finanziert Max‘ Vater die kaiserlichen konservativen Kräfte, die sich gegen eine Beendigung des Krieges stellen. Als Feldwebel Pfals im Haus der Quintes auftaucht und die Herausgabe der Kuriertasche fordert, beginnt für Max und Sophie ein Wettlauf mit der Zeit.

Elisabeth Zöller gelingt es geschickt die politischen, sozialen und historischen Hintergründe des 1. Weltkrieges mit einem spannenden Kriminalfall zu verknüpfen. Dabei zeigt sie, ausgehend von unterschiedlichen Perspektiven, wie komplex Meinungen und Stimmungen in Extremsituationen seine können und wie fatal die Auswirkungen eines Krieges auf die Gesellschaft und die einzelnen Menschen sind.

An zahlreichen Beispielen können die jugendlichen Leserinnen und Leser hautnah den Irrsinn des Krieges miterleben, in dem der einzelne Soldat als Kanonenfutter zu dienen hat. Es wird aufgezeigt, wie im Krieg Menschlichkeit, Wahrheit, Gesundheit und Leben von den Mächtigen leichtfertig für ein sogenanntes höheres Ziel aufs Spiel gesetzt werden.

Von der ersten Seite an lässt der Roman ein Stück Geschichte wieder lebendig werden. Dabei lässt der Autorin gekonnt die große zeitliche Distanz des Geschehens in den Augen der Betrachter vergessen zu machen und gefühlsmäßig zu involvieren. „Der Krieg ist ein Menschenfresser“ ist ein überaus empfehlenswertes Stück Antikriegsliteratur, das zum Nachdenken und gemeinsamen Diskutieren anregt und dazu ganz besonders für den Schulunterricht eignet. Die Materialien für den Unterricht zum Buch bieten zahlreiche Hinweise, Informationen und Arbeitsblätter für den Einsatz im Schulunterricht.

Elisabeth Zöller, Der Krieg ist ein Menschenfresser. Ab 14 Jahren
München: Hanser Verlag 2014. 288 Seiten, 16,40 €, ISBN 978-3-446-24510-5

 

Weiterführende Links:
Hanser Verlag: Elisabeth Zöller, Der Krieg ist ein Menschenfresser
Hanser Verlag: Christine Hagemann, Materialien für den Unterricht zu: Elisabeth Zöller, Der Krieg ist ein Menschenfresser
Wikipedia: Elisabeth Zöller

 

Andreas Markt-Huter, 12-03-2014
 

Bibliographie

AutorIn

Elisabeth Zöller

Buchtitel

Der Krieg ist ein Menschenfresser

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Hanser Verlag

Seitenzahl

288

Preis in EUR

16,40

ISBN

978-3-446-24510-5

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Elisabeth Zöller ist eine der bekanntesten und erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautorinnen Deutschlands. Sie lebt mit ihrer Familie in Münster.