Claudia Gliemann, Papas Seele hat Schnupfen

„Meine Eltern, die Großen Santinis, waren einmal die besten Seilartisten auf der ganzen Welt. Aber irgendwann ist mein Papa dann traurig geworden. Jeden Tag ein bisschen mehr.“

Die junge Nele stammt aus einer alten Zirkusfamilie, in der bereits ihre Ururgroßeltern Seilartisten waren. Ihre Eltern, die Großen Santinis, waren einmal die besten Seilartisten der Welt, bis ihr Vater beginnt immer trauriger zu werden, das Lachen verlernt und immer schwerer aus dem Bett zu kriegen ist.

Niemand im Zirkus Miraconda weiß so recht, wie auf die Veränderung von Nele Vater reagiert werden soll. Sprüche wie: „Jetzt stell dich doch nicht so an“ oder „Wird schon nicht so schlimm sein“ zeigen die Hilflosigkeit seiner Zirkusfamilie. Aber auch Mamas Bitte, doch einmal zum Arzt zu gehen, wird von Neles Papa zurückgewiesen: „Der kann mir auch nicht helfen!“

Papa kann sich nicht einmal freuen, als die Großen Santinis zur Zirkusolympiade in Monte Carlo eingeladen werden, was so ziemlich das Beste ist, was einem Artisten passieren kann. In den Tagen bis zum großen Auftritt in Monte Carlo verschlimmert sich der Zustand von Neles Papa immer mehr. Er scheint zunehmend von Angst geplagt und seine Sicherheit auf dem Seil zu verlieren.

Als es zum Auftritt der Großen Santinis bei der Zirkusolympiade kommt, wo Neles Papa ohne Hände mit dem Fahrrad über das hochgespannte Seil fahren und ihre Mama gleichzeitig einen Handstand auf dem Rad machen soll. Mit dem Rad vor dem Seil erleidet Papa einen Nervenzusammenbruch und muss mit an einem Seil von der Plattform herabgelassen werden. Ihr Papa, der immer der Größte für sie gewesen ist, weint wie ein kleines Kind und ist schwach. Nele schämt sich zunächst und ist wütend. Als sie ihn aber zusammengesunken auf dem Boden sieht, tut er ihr leid.

Neles Papa muss in eine Nervenklinik, um wieder gesund zu werden und Nele muss sich nach und nach mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass ihr Papa krank ist. Als er nach einiger Zeit wieder nach Hause kommt, sind alle froh, auch wenn Papas Seele noch nicht ganz gesund ist und es immer wieder Tage gibt, an denen es ihm schlechter geht. Alle müssen lernen Geduld zu haben und Papa bei seinen vorsichtigen Schritten zurück auf das Hochseil des Lebens zu unterstützen.

Mit viel Einfühlungsvermögen und Offenheit setzt sich Claudia Gliemann mit dem Thema Depression auseinander, das in weiten Teilen der Gesellschaft immer noch tabuisiert wird. Wir erleben die Krankheit aus der Sicht eines jungen Mädchens, für die sich der Blick auf ihren Papa über Nacht verändert. Besonders reizvoll erscheint die Idee, die Geschichte im Zirkusmilieu bei Hochseilartisten spielen zu lassen, wo sich Analogien zwischen dem Tanz auf dem Seil und dem Tanz im Leben, aber auch die Gefahr von einem Augenblick auf den anderen abzustürzen geradezu anbieten.

Die emotional bewegende Geschichte wird durch die einfühlsamen Illustrationen zusätzlich verstärkt und mit einer positiven Grundstimmung untermalt. Ein überaus beeindruckendes und empfehlenswertes Buch das einen liebevollen und mitfühlenden Blick auf eine Krankheit wirft, die sowohl thematisch als auch sprachlich für Kinder verständlich aufbereitet worden ist.

Claudia Gliemann, Papas Seele hat Schnupfen. Ill. v. Nadia Faichney, ab 6 Jahren
Karlsruhe: Monterosa Verlag 2015, 62 Seiten, 20,40 €, ISBN 978-3-942640-06-0

 

Weiterführender Link:
Monterosa Verlag: Claudia Gliemann, Papas Seele hat Schnupfen

 

Andreas Markt-Huter, 09-02-2015

Bibliographie

AutorIn

Claudia Gliemann

Buchtitel

Papas Seele hat Schnupfen

Erscheinungsort

Karlsruhe

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Monterosa Verlag

Illustration

Nadia Faichney

Seitenzahl

62

Preis in EUR

20,40

ISBN

978-3-942640-06-0

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Claudia Gliemann übersetzt seit 15 Jahren vorwiegend Kinderbücher. Mittlerweile hat sie mehr als 50 Bücher aus dem Englischen ins Deutsche übertragen.

Nadia Faichney macht Ihren Master of Science Illustration in Hamburg. Sie ist spezialisiert auf Kinder und Sachbuchillustration und hat sich das Ziel gesetzt, durch Ihre analoge Mal- und Stempeltechnik Räume zu erschließen, um Kinder und Jugendliche zum Nachdenken und Verstehen zu bewegen.