Allerheiligen und Allerseelen

Allerheiligen und Allerseelen sind die Tage im Jahr an denen Christen der Heiligen und ihrer Verstorbenen Verwandten gedenken. Bereits im frühen Mittelalter bürgerte sich der 1. November als Tag der Heiligenverehrung und der 2. November als Tag des Andenkens an die Verstorbenen ein.

Nachdem es nicht mehr möglich war, jeden Heiligen an einem besonderen Tag zu feiern, führte die Kirche recht bald einen Festtag für alle Heiligen ein. Für die östliche Kirche lässt sich ein Allerheiligenfest bereits zu Anfang des 4. Jhds. nachweisen. Der älteste Beleg findet sich bei Johannes Chrysostomos für Antiochien im 4. Jahrhundert am Oktavtag von Pfingsten mit der Bezeichnung „Herrentag aller Heiligen”. Für die westliche Kirche ordnete Papst Bonifaz IV. zu Beginn des 7. Jhds. eine jährliche Feier für die Jungfrau Maria und alle Heiligen an, die am Freitag nach Ostern stattfand. Papst Gregor III. verlegte in der 1. Hälfte des 8. Jhds. das Fest der Heiligen auf den 1. November.

   
Papst Bonifatius IV. ordnete zu Beginn des 7. Jhds. eine jährliche Feier für alle Heiligen an.
Quelle: Tomasz Wachowski, Wikimedia-Commons

 

Auch in Irland wurde im 8./9. Jahrhundert - als der Zusammenhang zwischen dem Allerheiligenfest und Ostern immer mehr in Vergessenheit geraten war - Allerheiligen mit dem 1. November verbunden. Der 1. November symbolisiert hier den Winterbeginn und gilt als Jahresanfang. Das Heiligenfest wirdn nun nicht mehr mit Ostern, sondern mit der sterbenden Natur in Verbindung gebracht, durch die die ewige Welt der Heiligen sichtbar wird. Irisch-schottische Missionare bringen das Allerheiligenfest am 1. November im 9. Jahrhundert auf ihren Missionsreisen mit auf den Kontinent und verhelfen dem Datum zum Durchbruch. Ebenfalls im irischen Einflussbereich konnte sich vorchristliche Elemente erhalten, wie z.B. "Halloween", das am Vorabend vor Allerheiligen ("Hallows" - "die Heiligen") bis heute mit einem ausgelassenen Brauchtum gefeiert wird .

In der orthodoxen Kirche wird Allerheiligen am 1. Sonntag nach Pfingsten gefeiert, bei den Protestanten hingegen gibt es kein Allerheiligenfest, stattdessen wird am 31. Oktober der Reformationstag gefeiert, in Erinnerung an den Beginn der Reformation mit dem Anschlag der 95 Thesen zu Wittenberg.

Allerseelen gilt im Festjahr der katholischen Kirche als Tag, an dem durch Gebete und Fürbitten der armen Seelen der Verstorbenen gedacht wird. Rund um Allerheiligen und Allerseelen entwickelte sich recht bald ein vielfältiges Brauchtum. Ein anschauliches Bild von Allerheiligen und Allerseelen in Tirol vor mehr als 100 Jahren, bietet Ludwig von Hörmann in seinem Buch "Tiroler Volksleben. Ein Beitrag zur deutschen Volks- und Sittenkunde" aus dem Jahr 1909.

Der nächste Morgen bringt das Fest Allerheiligen. Doch trägt es durchaus keinen fröhlichen Charakter, sondern eher den einer Trauerfeierlichkeit. Denn gleich nach dem gesungenen Hochamte, das vormittags abgehalten wird, wendet sich die ganze Aufmerksamkeit von den verklärten Himmelsbürgern ab und den armen Seelen zu. Ihnen "zu Nutz und Frommen" wird von zwölf Uhr an durch eine volle Stunde mit allen Glocken geläutet.

Man nennt dies "Schidungläuten" oder "Seelenausläuten" und zwar aus folgendem Grunde. Der Volksglaube sagt nämlich, daß mit dem Klange dieser Glocken die "armen Seelen" aus den Gluten des Fegfeuers befreit werden und ungehindert auf der Erde herumspazieren dürfen, freilich nur bis am andern Morgen das Geläute zum Zeichen, daß die Ferien der armen Sträflinge vorüber, abermals ertönt und letztere in ihren flammenden Kerker zurückruft.

 


Zu Allerheiligen und Allerseelen finden traditionell die Friedhofsbesuche statt. Auch um die Gräber rankten sich in früheren Zeiten zahllose Legenden und Schauergeschichten. Klostersiedlung am Fluss Shannon. Irland - Clonmacnoise, Foto: Armin Kindl,
TIBS-Bilderdatenbank

 

Wie sehr das Andenken an die Verstorbenen und Toten mit Ängsten verbunden war zeigen die schaurigen Geschichten, die rund um Allerseelen erzählt worden sind.

Zu Münster geht ebenfalls die Sage vom Opfergang der Toten mit dem Beisatze, daß derjenige, der so kühn sei, sich während desselben derart auf die Stufen des Altars zu legen, daß jede "arme Seele" auf ihn treten muß, in den Besitz einer unsichtbar machenden Nebelkappe gelangen könne.

Auch andere köstliche Gaben sind in der Allerseelennacht zu gewinnen, vorausgesetzt, daß einem der Mut nicht fehlt, etwas zu wagen. Der Robler und Raufer kann sich übernatürliche Kraft holen, der Wildschütz sich kugelfest und den verfolgenden Jäger "gefroren" machen; auch das Schätze finden und heben geht spielend, nur muß man, wie gesagt, vor mitternächtlichem Geisterspuk nicht zurückschrecken. Also aufgepaßt! Wer in der Allerseelennacht, gerade wenn es zwölf Uhr schlägt, eine Totenbahre nimmt und im Stande ist, dieselbe bis es ausgeschlagen hat, dreimal um die Kirche zu schleppen, der bekommt, was er sich wünscht.

Doch diese Aufgabe ist schwerer als sie aussieht. Denn während dieser gruseligen Fahrt setzen sich mehr und mehr arme Seelen auf die Bahre und machen die Last immer schwerer und schwerer. Deshalb muß sich der Waghals noch einen zweiten Gesellen mitnehmen, der mit dem Kirchenschlüssel oder mit einer Gerte vom Weißelxenstrauch die blinden Passagiere herabschlägt. Mißlingt das Unternehmen, so wird der Unglückliche von den "armen Seelen" in tausend Stücke gerissen.
Ludwig von Hörmann: Tiroler Volksleben - Allerheiligen und Allerseelen

Der Aberglaube war aber nicht nur auf Tirol begrenzt, sondern war allgemein verbreitet:

In früheren Jahrhunderten findet man auch abergläubische Bräuche an Allerseelen. Die Gräber wurden mit Weihwasser bespritzt - weniger, um sie zu segnen, als um die Qualen der Seelen in der heißen Hölle zu lindern. Man stellte Speisen auf das Grab (Brot, Wein, Bohnen) und zündete Kerzen an. Allerdings durften auf den Gräbern von Selbstmördern keine Kerzen entzündet werden, weil es hieß, deren Kinder würden dadurch auch zu Selbstmördern.



Auf dem Friedhofsmuseum in Kramsach befinden sich zahlreiche Grabsteine mit meist derben Inschriften.

 

Das Licht auf den Gräbern wird verschieden gedeutet: Es soll die Seelen anlocken und ihnen den Weg zu dem Ruheplatz des Körpers weisen oder es soll die Seelen wärmen. An anderen Orten ist das Licht eine Schranke zwischen den Lebenden und den Toten oder es vertreibt die bösen Geister. Wer sich nachts auf einen Grabhügel stellte, sollte alle, die nächstes Jahr starben, über die Gräber gehen sehen. Die Toten selbst nennen diejenigen, die im nächsten Jahr sterben.
Dr.theol. Manfred Becker-Huberti, Köln

Abschließend sei noch das Buch "Allerseelen" des niederländischen Autors Cees Nooteboom erwähnt, in dem ein hin und wieder auftretender Chor der Toten den Roman mit den Worten beschließt: "Und wir? Ach wir ..."
Dieter Wunderlich: Rezension - Cees Noteboom, Allerseelen

 

Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 01-11-2006

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