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thomas stangl, diverse wunder„Es ist kein Verdienst, diesen Ort erfunden zu haben, zufällig bewohne ich diesen Ort.“ (9) – Endlich einmal wird durch diverse Wunder unser auf uns selbst fixiertes Wissen durcheinandergebracht und an einem bislang unbekannten Ort neu aufgesetzt.

Thomas Stangl verkündet im Prolog mit drei Absätzen, was es mit den „Diversen Wundern“ auf sich hat. Sie sind das Ergebnis eines Vorgangs in drei Schritten:
- Zuerst wird alles abgeschabt, was überflüssig ist.
- Diese übriggeblieben Sätze sind von einer Klarheit und Kürze, dass wir meinen, sie alle schon zu kennen.
- Schließlich aber werden sie an einem Ort neu zusammengesetzt, den es bisher noch nie gegeben hat. Und dieser Ort ist sinnigerweise die Existenz des Ich-Erzählers und später die des Lesers.

brigitte knapp, fischer am bergeIm Theater gibt es zwei Möglichkeiten, um eine Stück zu inszenieren. Entweder die Direktion hat ein Regiekonzept und sucht ein passendes Stück dazu, oder es hält bereits ein Stück in der Hand und sucht passendes Regiepersonal dazu.

Brigitte Knapp ist für ihren Erzählband „Fischer am Berge“ offensichtlich jenen Weg gegangen, wo ein vorhandenes Erzählkonzept hinterher mit (Frauen-)Schicksalen ausgestattet wird, bis genügend Plastizität vorhanden ist. Den Heldinnen wird nur soviel Schicksal zugestanden, als sie benötigen, um den Kommunikationsstrang offen zu halten. Dadurch wird letztlich ihre Sprachlosigkeit sichtbar, denn sie sind Platzhalter eher für eine Rolle und weniger für sich als Person.

elyas jamalzadeh, freitag ist ein guter tag zum flüchtenLesen ist für die meisten so selbstverständlich wie Nicht-lesen, es ist in der Öffentlichkeit vorhanden wie das Radfahren oder Fußgehen. Und nur wenn man es gezielt thematisiert, überlegen die Angesprochenen, dass sie vielleicht wieder einmal ein Buch durchblättern könnten.

Die Stadt Innsbruck spricht unverdrossen seit Jahren ihre Insassen auf das Lesen an, verweist dabei auf eine gut funktionierende Stadtbibliothek und verschenkt 10.000 Bücher, die für Aufmerksamkeit, aber nicht für Aufruhr sorgen. Für diese ausgewogene Lesekost sorgt jedes Jahr eine andere Jury, und die Kunst der Politik besteht darin, die Jury klug auszuwählen. Heuer setzt sich diese mit Doris Eibl (Juryvorsitzende, Institut für Romanistik, Universität Innsbruck), Alexander Kluy (Literaturjournalist und Autor, München), Alexandra Plank (Kulturjournalistin, Innsbruck) und Andreas Unterweger (Schriftsteller, Graz) zusammen. Das Team hat wie ein erfahrenes Schiedsrichterquartett gearbeitet und als Innsbruck-liest-Buch einen Erlebnisbericht aus der Migrationsszene ausgesucht.

lina hofstädter, max moritz nenadDie Originalgeschichte von „Max und Moritz“ aus dem Jahre 1865 versetzt noch immer die Pädagogenschaft in Rage und die Lausbuben und Lausmädchen in Verzückung. Im Stile einer Terror-Fibel nämlich werden der Gesellschaft ihre kleinbürgerlichen Privilegien um die Ohren geknallt, während diese mit einem kleingeistigen Curriculum versucht, den Kids den scharfen Zahn für die Zukunft zu ziehen. Als Max und Moritz den Lehrer sprengen, indem sie sich an seiner Lustpfeife vergreifen, ist Schluss mit lustig. Die Helden werden zynisch zu Tierfutter vermahlen und dem Federvieh als Kraftnahrung vorgesetzt.

Für Pädagoginnen, die ein Leben lang unterrichtet haben, gibt es in der Pension kein Halten mehr, um endlich mit dem Max-und-Moritz-Trauma abzurechnen, indem man diese Story für die Gegenwart neu deutet.

michael maset, the origins of the cold war“When historians talk about the “origins” of historical events such as the Cold War (which describes a state of hostility between the USSR and the Western powers from 1945 to 1991), they make use of an important historical thinking concept that helps them to understand historical change – they analyse cause and consequence.” (S. 4)

Angesichts des Ukrainekrieges gewinnt der historische Rückblick auf die Zeit des Kalten Krieges, bei dem sich die Mächte des Ostens und Westens gegenseitig mit dem Einsatz von Atomwaffen bedrohten, an Bedeutung. Das für den Englisch- und Geschichtsunterricht aufbereitete Sachbuch „The Origins of the Cold War“ geht den Ursachen und Folgen des Kalten Krieges in englischer Sprache nach.

elisabeth hager, der tanzende bergGleich zu Beginn sprengt sich eine Geburtstagsgesellschaft feierlich in einen Rausch, am Schluss, in der Stunde Null, stellt sich heraus, dass sich das ganze Land touristisch einwandfrei in die Luft gejagt hat. Sogar die felsenfesten Berge beginnen ob dieses Desasters zu tanzen und hinterlassen zerfallenes Gestein und zerbröselte Schicksale.

Elisabeth R. Hager gehört zu jener Handvoll Schriftstellerinnen aus Tirol, die einst zu Studienzwecken aus dem Land ausgestiegen sind, um sich einen frischen Blickwinkel auf die geschlossene Gesellschaft Tirols anzueignen. In der Blase des Gebirgslandes ist nämlich nun schon die dritte Generation vom Tourismus aufgezogen und wird unauffällig beäugt und niedergehalten, damit sie ja keine Geschäftsstörung bei den Nächtigungen auslöst.

norbert gstrein, mehr als nur ein fremderEin großkalibriger Autor muss im gegenwärtigen Literaturbetrieb drei Kanäle speisen: Einmal muss er regelmäßig Werke liefern, die einer letztlich sehr engen EU-Norm entsprechen. Zweitens muss er täglich seine Bereitschaft erklären, Preise, Stipendien und Uni-Auftritte zu absolvieren. Und drittens muss er am Branding der eigenen Biographie arbeiten, die im Idealfall zu einem Mythos ausgerollt werden kann.

Norbert Gstrein füttert alle diese Kanäle professionell, wobei das Professionelle vermutlich darin besteht, dass er alles mit stiller Ironie absolviert. So ergibt sich bei seinen Büchern immer eine gewisse Irritation, wie ernst das Gesagte nun gemeint ist, und ob es nicht letztlich gar eine Verhöhnung des Publikums ist, wenn der Autor läppisch das erfüllt, was sich eine von Germanisten angeführte Freundesschar vage von ihm erwartet.

philip matyszak, vergessene völker„Dieses Buch handelt von Völkern, die uns, auch wenn sie überwiegend vergessen sind, bis heute indirekt prägen. Oder aber es geht um Völker, von denen wir uns noch an eine Einzelheit erinnern, während der Rest verschwunden ist. Was wissen wir schon von den Baktrern bis auf ihre zweihöckrigen Kamele? Oder von den Samaritanern, außer dass einer von ihnen barmherzig war?“ (S. 8)

Wer seinen Blick in die Antike wirft, erblickt ein Auftauchen und Vergehen verschiedenster Kulturen, die für einen mehr oder weniger langen Zeitraum eine Rolle im Spiel der Mächte einnehmen konnten und historisch in Erscheinung traten. „Vergessen Völker“ stellt eine Auswahl von 40 Völkern der Antike zwischen Indien und Europa näher vor.

durs günbein, äquidistanzÄquidistanz ist ein Zustand, der in vielen Segmenten menschlichen Lebens eine anerkannte Rolle spielt. Ob im juristischen, physikalischen oder poetischen Bereich, überall steigt die Zustimmung, wenn die Äquidistanz ins Spiel gebracht wird. Einen gesellschaftlichen Durchbruch erreichte diese Haltung während der großen Pandemie, als alle angehalten waren, Abstand zu allem zu halten.

Durs Grünbein nennt seine Sammlung aus etwa neunzig Gedichten straff „Äquidistanz“. Und schon das Cover ist so „ebenmäßig“ gestaltet, dass man es samt dem darin eingeschlagenen Buch gerne in die Hand nimmt und mit dem Finger die Linien nachfährt, die wie geographische Höhenlinien einen Abstand zu einem Gipfel messen. Das magische Wort selbst ist im harmonischen Schnitt aufgegliedert in die Silben Äqui-di-stanz.

edward herman und noam chomsky, die konsensfabrik„Keine andere Theorie der Journalismusforschung geht so hart und unversöhnlich mit den kommerziellen Nachrichtenmedien ins Gericht wie das Propagandamodell von Edward S. Herman und Noam Chomsky. In dem vorliegenden Buch […] haben die etablierten Medien in liberalen Demokratien eine Hauptfunktion, nämlich »Propaganda« zu betreiben. Das meint: Sie versuchen, etablierte Machtverhältnisse zu stabilisieren und in der Bevölkerung einen Konsens zu einer Politik und einem Wirtschaftssystem herzustellen, die vor allem den Interessen einer mächtigen Minderheit dienen.“ (S. 7)

Das bedeutende Werk „Die Konsensfabrik: Die politische Ökonomie der Massenmedien“ der beiden amerikanischen Gesellschaftswissenschaftler Edward S. Herman und Noam Chomsky, wurde bereits im Jahr 1988 veröffentlicht und nun erstmals in deutscher Sprache veröffentlicht. Das Sachbuch bietet eine tiefgehende Analyse der Massenmedien und ihrer Rolle in der politischen und gesellschaftlichen Informationsvermittlung. Die zentrale These des Buches lautet: Medien in kapitalistischen Gesellschaften neigen dazu, durch verschiedene Mechanismen die Interessen der politischen und wirtschaftlichen Eliten zu fördern und zu stabilisieren.