Lesen in Tirol - Öffentliche Bibliotheken: Die Stadtbücherei Innsbruck, Teil 3

Im abschließenden 3. Teil des Interviews mit Kathrin Mader wird das Öffentliche Bibliothekswesen im allgemeinen thematisiert. Die Leiterin der Stadtbücherei Innsbruck äußert sich zur Entwicklung der Büchereien in Österreich, über den Stellenwert und die Strukturen des Öffentlichen Bibliothekswesens in Tirol aber auch über die Rolle der Frau in diesem Bereich.

Lesen in Tirol: Derzeit scheint das Interesse an Bibliotheken im steigen begriffen zu sein, wenn man das Medieninteresse an den großer Bibliotheksneubauten wie z.B. in Wien betrachtet?

Kathrin Mader: In Salzburg wird derzeit eine neue Stadtbücherei gebaut, die ungefähr 4.000 m² groß sein wird. Wir haben hier in Innsbruck 700 m² zur Verfügung, woran sich schon die unterschiedliche Dimension erkennen lässt. Auch in Linz wird eine große Stadtbücherei gebaut. Ich finde diese Entwicklung selbstverständlich auch schön. Was aber oft übersehen und worüber nicht gesprochen wird, ist, dass auf der anderen Seite wie es z.B. in Wien passiert ist, aus Kostengründen Zweigstellen zugesperrt werden müssen. Die neue Hauptbücherei in Wien, die unbedingt notwendig war, hat einfach sehr viel finanzielle Mittel verschlungen.

Lesen in Tirol: Wie zeigt sich die Situation der Büchereien in Innsbruck und Tirol

Kathrin Mader: In Innsbruck wurde z.B. die Landesjugendbücherei geschlossen. Vor allem in den Gemeinden ist die finanzielle Situation für die Bibliotheken oft nicht einfach. Es gibt ja kein Gesetz wie für Kindergärten oder Musikschulen, wo Bibliotheken sagen könnten: Wir sind da, wir brauchen Geld! Sagen können Sie es natürlich schon, aber keine Gemeinde ist zur Finanzierung verpflichtet. Die Bibliotheken in den Gemeinden leben ja rein von der Ehrenamtlichkeit und das österreichweit nicht nur in Tirol. In Tirol gibt es lediglich vier oder fünf Büchereien, in denen Bibliothekare hauptamtlich angestellt sind.

Wie gesagt, von seiner Struktur her lebt das österreichische Bibliothekswesen rein von der Ehrenamtlichkeit, auch wenn das Bild durch die knapp 250 Bibliothekare die es in Wien gibt, ein wenig verfälscht wird. Hier gilt es, noch einiges zu verändern. Gerade durch Neubauten wie in Wien, Salzburg oder Linz gewinnt das Bibliothekswesen an Stellenwert. Im Fernsehen, Radio und in vielen, vielen Zeitungen, die ansonsten nie über Bibliotheken berichtet hatten, erhielten die neuen Bibliotheken öffentliche Aufmerksamkeit. Manche Leute haben dadurch wohl zum ersten mal wahrgenommen, dass es so tolle Einrichtungen wie Bibliotheken überhaupt gibt.

hspace=0
Die Bibliotheken in den Gemeinden leben ja rein von der Ehrenamtlichkeit und das österreichweit nicht nur in Tirol. Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Wie hat sich die gesellschaftliche Anerkennung des Öffentlichen Bibliothekswesens in den letzten Jahrzehnten entwickelt?

Kathrin Mader: In den 70er Jahren waren die Zeichen der Zeit in manchen Ländern relativ günstig. Da wurde in Kultur und Bildung sehr viel Geld investiert. In Deutschland und Südtirol gab es in dieser Zeit einen regelrechten Boom an Bibliotheken. Mittlerweile sind in Deutschland die Kommunen verarmt und die Bibliotheken werden der Reihe nach wieder geschlossen. In Südtirol ist das nicht der Fall, hier prosperieren die Bibliotheken nach wie vor. Der Grund liegt in der gesetzlichen Auflage, dass es in jedem Ort eine Bibliothek geben muss. Dabei ist auch die Finanzierung durch das Land und die Gemeinde genau geregelt. Weiters wurden Mittelpunkt-Büchereien festgelegt wie in Bruneck oder Sterzing, wo kleinere Bibliotheken ihren Bestand aufbessern können. Das Amt für Bibliothekswesen in Südtirol koordiniert z.B. Veranstaltungen, wovon natürlich alle Bibliotheken profitieren.

Bei uns liegt die Sache ein wenig anders. Früher hatten Bibliotheken generell keinen besonderen gesellschaftlichen Stellenwert, wenn man von der Universitätsbibliothek einmal absieht, die natürlich immer geschätzt wurde. Aber die Öffentlichen Bibliotheken hatten über viele Jahrzehnte einen unglaublich schlechten Stellenwert. Wer die alte Öffentliche Bibliothek in Wien gekannt hat, weiß wovon ich spreche. Es war zum genieren. Bei uns war die Situation aber auch nicht viel besser. Für die alte Bücherei im Burgraben musste sich ein jeder genieren. Von BibliothekarInnen aus dem Ausland wurden wir damals noch bemitleidet. Niemand wollte glauben, dass es sich dabei um die Hauptbücherei der Stadt Innsbruck handelt.

hspace=0
Der Neubau der Hauptbibliothek in Wien hat die Institution "Öffentliche Bücherei" in das Öffentliche Blickfeld gerückt.

 

Mittlerweile muss sich in den Köpfen der Politiker aber doch einiges geändert haben, weil doch zahlreiche Bibliotheken gebaut werden. Der Wert einer Bibliothek muss auch von politischer Seite offensichtlich erkannt worden sein.

Lesen in Tirol: Wie hat sich die Bibliothekslandschaft allgemein in den letzten Jahren entwickelt?

Kathrin Mader: Gerade mit dem Neubau in Wien hat sich in den letzten Jahren sehr viel verändert. Aber bereits in den frühen 90er Jahren hat der Einzug der modernen Bibliothek in Vorarlberg begonnen. Dornbirn war die erste neue Bibliothek?, die mittlerweile bereits wieder viel zu klein geworden ist. In Dornbirn wurde zum ersten mal beschlossen, eine richtungsweisende Bibliothek zu errichten. Dann hat man damit begonnen, eine Bibliothek in Wien zu planen. 1999 folgte Innsbruck, dann Salzburg und jetzt kommt die neue Stadtbücherei in Linz.

Wenn man die Bibliothekslandschaft betrachtet, muss streng unterschieden werden zwischen städtischen und ländlichen Strukturen. Die städtischen Strukturen sind in den letzten Jahren stark in Bewegung gekommen und ändern sich immer noch. Die ländlichen Struktur schaut vollkommen anders aus. Hier herrscht die reine Ehrenamtlichkeit, wobei teilweise riesige Teams sehr viele Stunden für die Bibliothek arbeiten. Und noch eines: Die Teams bestehen fast nur aus Frauen. Lediglich die Bibliotheksleiter sind öfter noch Männer. Je bedeutender eine Bibliothek ist, desto größer wird auch der Anteil an Männern. Das Working-Team? sind aber immer die Frauen.

Lesen in Tirol: Ist das Öffentlichen Büchereiwesen somit auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Stellung der Frau?

Kathrin Mader: Die Bibliothek ist meiner Ansicht nach so eine typische Frauengeschichte und daher leitet sich auch ihr Stellenwert ab. Natürlich hat sich durch das zunehmende Selbstbewusstsein der Frauen auch hier einiges geändert, aber es steckt sehr häufig immer noch die Vorstellung dahinter: Die können ja froh sein, dass sie eine nette Beschäftigung haben! Das sind Sätze, die Bibliothekarinnen von Politikern auf dem Land immer noch zu hören bekommen. Wir Frauen müssen, gerade wenn es darum geht, Forderungen zu stellen, sicherlich noch viel lernen. Ein männlicher Bibliotheksleiter geht zu seinem Bürgermeister einfach anders hin als eine Frau. Es ist einfach ein Unterschied, ob ich mich an den Bürgermeister hereinschleiche und vorsichtig im Konjunktiv andeute, was gebraucht wird oder wenn ein Mann bereits viel mehr fordert als notwendig, weil er aus seinem Berufsleben weiß: wenn ich was will, muss ich schon viel mehr fordern, um das zu bekommen, was ich ursprünglich wollte.

Von daher müssen Frauen sicher noch viel lernen. Sie müssen viel mehr fordern, mit viel mehr Selbstbewusstsein, weil: eine Bibliothek ist ja kein Handarbeitsverein. Es handelt sich schließlich um eine öffentliche und ich denke gerade in einer Gemeinde eine ganz wichtige soziale Institution. Hier kommen theoretisch alle zusammen; vom Kind bis zum Ältesten. Von daher ist eine Bibliothek ja keine Einrichtung, wo Deckelchen gehäkelt werden, sondern eine Einrichtung von gesellschaftlicher Relevanz. Bibliotheken haben für mich die gleiche soziale Wichtigkeit wie etwa Kindergärten oder Musikschulen. Diese sind ja gesetzlich verankert. Nur bei den Büchereien hat die gesetzliche Anerkennung leider bis heute nicht funktioniert.

hspace=0
Eine Öffentliche Bücherei ist immer auch ein gesellschaftlicher Treffpunkt in einem Ort. 

 

Lesen in Tirol: Was leistet eine Bibliothek und wo liegt ihre große Bedeutung?

Kathrin Mader: Einmal abgesehen von der Bedeutung des Medienbestands ist eine Bücherei natürlich immer ein gesellschaftlicher Treffpunkt in einem Ort. Das ist ganz unabhängig von der Größe des Medienbestands in der Bücherei. Wichtig ist vor allem dass Leute in der Bibliothek arbeiten, die freundlich sind und auf die Menschen zu gehen. Aber es sind eigentlich immer recht offene Menschen, die in Bibliotheken arbeiten. Es arbeitet ja niemand mit, der viel lieber seine Ruhe haben möchte. Dann hängt das Publikum einer Bibliothek auch von ihren Öffnungszeiten ab, die in einem Dorf natürlich ganz anders gestaltet sind als in einer Stadt. Hier muss die Bücherei auch am Abend geöffnet sein, wenn die Leute von der Arbeit zu Hause gekommen sind, weil sonst als Besucher nur mehr Kinder übrig bleiben.

Büchereien mit nur kleinen Beständen können sich z.B. überlegen, wo sie eine Angebotsnische besetzten könnten. In der Bücherei Haiming entstand z.B. die Idee, in der Bücherei Nachhilfe-Stunden anzubieten. Was natürlich sehr sinnvoll ist, weil hier Kinder und Jugendliche zusammen kommen und in der Gruppe lernen. Und das alles in der Bücherei! Aber auch die Eltern haben eine große Nutzen, weil dadurch die Nachhilfe billiger geworden ist.
Für Büchereien ist es wichtig, sich zu informieren, was in anderen Büchereien bereits erfolgreich durchgeführt worden ist. Das erleichtert die Arbeit sehr, muss aber nicht heißen, dass es auch in der eigenen Gemeinde funktioniert.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview

 

 

*  *  *  *  *

 

Weiterführende Links:

 

Andreas Markt, 31-01-2005

Redaktionsbereiche

Lesen