mario hladicz gedichteOft ist der Kosmos eines Gedichtbandes schon im Titel abgesteckt, da gibt es Natur ohne Horizont, dünne Luft in Arkadien, Asteroiden in der Moebius-Schleife. Völlig geerdet ist hingegen ein Projekt, das sich schlicht Gedichte zwischen Uhr und Bett nennt.

Mario Hladicz setzt mit seinen Gedichten unvermittelt ein, kleine Sequenzen, die einem jäh vor die Linse tanzen, sind in Wahrheit vielleicht ein Gedicht, wenn man sich die Mühe nimmt, hinzusehen. Ziemlich kühl in die Abschnitte I, II und III unterteilt erinnern die Gedichte vielleicht an die alten Eisenbahnwaggons, wo es je nach Klasse immer ungefederter zugegangen ist. Die Einteilung könnte aber auch mit innig, halböffentlich und öffentlich gedeutet werden.

alexander peer, der klang der stummen verhältnisseIn der Lyrik sind die Sinnesorgane oft eigenartig verkabelt, das Gehör ist an die Haut angeschlossen, der Geruchssinn tastet mit den Sohlen den Boden ab, die Netzhaut sitzt am Gaumen und scannt diverse Geschmäcker. Und selbstverständlich funktioniert das alles auch remote, der Leser liegt im Bett und wischt sich den letzten Herbst aus dem Display.

Alexander Peer verknüpft diese Sensoren ungeniert, sodass auch der Titel völlig logisch ist: Der Klang der stummen Verhältnisse. Und in die Texte sind auch die wundersamen Tuschzeichnungen von Moussa Kone eingeflochten, einmal als heftige Schwarz-Weiß-Schnitte, dann aber auch als durchschimmernde Melasse, die von hinten her in die diversen Gedichte vordrängt.

jonathan perry scherbenScherben sind ein faszinierendes Gebilde voller Widerstand und Querköpfigkeit. Meist sind sie Elemente aus einem größeren Ganzen, das zu Bruch gegangen ist, oft liegen sie in trockenem Gelände herum und lösen bei gutem Sonnenlicht heftige Waldbrände aus. Und kaum geht man barfuß, tritt man sich trittsicher etwas ein, was sich spontan in einem Schmerzseufzer entlädt.

Jonathan Perry hat poetische Scherben ausgelegt, die durchaus scharfkantig wie ihre physikalischen Wiedergänger als Poetische Scherben aufstacheln und irritieren sollen. Dabei hält sich der Autor durchaus an das Sprichwörtliche nach dem Motto „Scherben bringen Glück“.

Hier schläft das Tier mit ZöpfenLyrik ist nur im Hardcore ein poetisches Gebilde, das aus seltsamen Wortkonstellationen besteht. In der dynamischen Gedichte-Welt der Gegenwart sitzt die Poesie als Humor, Wissenschaft, Dramaturgie oder Drehbuch zwischen den Zeilen. Manche Gedichte dieser Bauart sind nur durch Zufall ein Gedicht geworden, genauso gut könnten sie ein Spielfilm oder ein Theaterstück sein.

Margret Kreidl wählt für die Gedichtsammlung den seltsamen Titel „Hier schläft das Tier mit Zöpfen“. Das geht auf das Sprichwort zurück: Hüte dich vor dem Tier, das Zöpfe hat. (55)

zur lage lyrikIm Sprachgebrauch sind anschwellende Wortwellen vorgesehen, die auf etwas Unheimliches, Gigantisches oder Katastrophales hinweisen. „Zur Lage“ wird durchaus als pathetische Einstimmung verwendet, wenn es um die Lage der Nation, die Lage der Finanzen oder die Lage an einer Grenze geht.

Petra Ganglbauer versetzt das Universum in einen Zustand, der nur durch einen poetisch-dramatischen Lagebericht beschrieben werden kann. Zu diesem Zweck ist die Welt wie bei einem echten Schöpfungsbericht aufgeschnitten in drei Teile, unten lebt das Terrestrische, in der Mitte, quasi als Schutzschicht, tut sich das Sprachliche auf, und oben gibt es das Extraterrestrische.

Erzähl mir vom MistralDa muss jemand schon eine seltsame Reise getätigt haben, wenn die Leute zu Hause vielleicht warten und sich wünschen: Erzähl mir vom Mistral. Üblicherweise werden die Hinterbliebenen mit Selfies überpixelt und die Reise ist bald einmal vom Display gewischt.

Reinhard Lechner baut seine Gedichte von der französischen Mittelmeerküste wie Erlebnisziegel auf und verfugt sie dann noch zu einer Poesie-Festung. Die Gedichte sind nach einem geheimen Bauplan längs und quer gedruckt, dadurch entsteht ein textuelles Mauerwerk mit intensiver Verfugung.

Tiefschwarz zu unsichtbarDas Geheimnis magischer Wörter liegt oft in ihrem Verhältnis, wie sie zueinanderstehen. Tiefschwarz und unsichtbar ist nicht mit einer Gleichwertigkeit verbunden, sondern das unsichtbar ist zu übersteigert, sodass es vielleicht auch das Tiefschwarz mit sich reißt ins Unsichtbare.

Isabella Feimer stellt in ihren Gedichten poetische Schlüsselbegriffe immer in einen seltsamen Zusammenhang, manchmal frisst ein Begriff den umstehenden auf, dann übersteigert er ihn wieder, ehe sich dann etwas völlig Unerwartetes auftut wie in der Eingangszeile des ersten Gedichtes „erstickende Eintracht“. (7)

schachteltexteAm Scharnier zwischen Leben und Tod trifft nicht nur das Individuum seltsame Äußerungen, indem etwa ein Gedankengang im Diesseits beginnt und im Jenseits endet, auch die dabei geschaffenen künstlerischen Werke entwickeln einen moribunden Zustand, indem Teile davon nicht mehr von dieser Welt sind.

Peter Paul Wiplinger geht mit seinen Schachteltexten an diese Todesgrenze, teils aus Gründen autobiographischer Erfahrungen, teils mit der Hoffnung, durch diese Kunstform selbst der Literatur ein Schnippchen zu schlagen und den Tod zumindest zu verblüffen. Die Schachteltexte nämlich sind monumental und fragil und sprengen die Vertriebssysteme der Literatur.

Die Erfindung der SehnsuchtAbrundungslyrik nennt man jene Gedichte, die zwischen den Bücher-Klusen des Hauptwerks beiläufig entstanden sind und das Gedächtnis an den Autor wachhalten, wenn dieser gerade sonst nichts schreibt.

Joseph Zoderer lässt mit filigranen Sehnsuchtsgedichten von sich hören. Seine Gedichte sind Ausdruck eines Lebenszustandes, er steht nämlich ständig unter Schreib-Strom, im Minutentakt kommen ihm Sätze aus der alten Feder, die er zelebriert, anbetet und überall herumträgt.

Geschichten von AnderenWenn man lange genug magisch auf eine Gegend schaut, entsteht dabei die Literatur wie von selbst. Der schwedische Wald hat, wie übrigens auch der Innsbrucker Mitterweg, die Kraft, täglich neue Geschichten wachsen zu lassen.

Der Grazer Literaturverwalter und Schriftsteller Manfred Mixner sitzt schon seit Jahren im schwedischen Wald und blättert in alten Aufzeichnungen, sortiert die Geschichten neu und holt Höhepunkte der Literaturvermittlung als Rundfunkmacher und Literaturhausbetreiber aus den Mappen.