Sarah N. Harvey, Arthur oder Wie ich lernte, den T-Bird zu fahren

Ein falsch mitgehörtes Telefonat kann eine richtige Geschichte auslösen, zumal der Mithörende immer alles auf sich selbst bezieht.

In Sarah N. Harveys Roman „Arthur” hört der sechzehnjährige Ich-Erzähler wie seine Mutter am Telefon von einem kaputten Typen redet, den sie dringend irgendwo unterbringen muss. Rolly, wie der Held spöttisch genannt wird, obwohl er Royce heißt, bezieht das auf sich, denn er ist an manchen Tagen ziemlich wohn-unfähig. Bald stellt sich aber heraus, dass es um den Großvater Arthur geht, der mit dem Leben überfordert ist.

Da überkommt Royce eine Super-Idee, er wird den Großvater tagsüber unterhalten, so dass sich dieser das Altenheim erspart. Letztlich lässt sich damit gutes Taschengeld verdienen, denn irgendwie sind ja auch die Betreuungsstunden nichts anderes als die üblichen Nachhilfestunden.

In der Folge betritt Royce eine völlig neue Welt. Großvater Artur ist eine abgeklärte Persönlichkeit mit allerhand Macken, die man notfalls immer auf Demenz zurückführen kann. Statt auf die Uni zu gehen ist er seinerzeit ein berühmter Musiker geworden. Sein größter Schatz steht in der Garage, ein Thunderbird 1956, den man wie ein Steak T-Bird nennt.

Großvater ist längst fahruntauglich, weshalb Royce die heimlichen Überlandfahrten übernehmen muss, bei einem Sechzehnjährigen fällt es weiter nicht auf, wenn er keinen Führerschein hat. Diese Ausflüge entlang der Küste sind ein Ausstieg aus der Schwerkraft, die Welt ist hell und licht und voller Fahrtwind, in diesem T-Bird können die Generationen miteinander reden, ohne ein einziges Wort zu sagen.

Überhaupt geht die Sprache oft den Weg des Verstummens. Großvater hat auf seinem Apple nur eine einzige Datei angelegt, die er ICH benannt hat, und sinnigerweise ist diese Datei leer. (47)

Das Alter setzt sich über Nacht durch, Großvater erleidet mehrere Schlaganfälle und muss ins Krankenhaus. Als ihn Royce einmal besucht und seinen Laptop offenlässt, während er kurz hinausgeht, schreibt Arthur, dass er zu sterben wünsche.

Da kommen auch schon die Verwandten aus allen Kontinenten angetanzt und losen, wer Arthur mit dem Kissen ersticken soll. Doch Großvater ist gnädig und verstirbt mit sich selbst. In einem ergreifenden Testament kriegen alle ihre materiellen Güter, für Artur freilich bleibt der T-Bird und der wichtige Satz: Du hast deine Sache gut gemacht!

Sarah N. Harveys Roman erzählt fröhlich diese Geschichte, wie sich die Welt der Jungen und Alten in seltsamen Augenblicken trifft, wenn beide genug verrückt sind. Und auch das Sterben ist letztlich eine große Sache, wenn man ihm in die Augen schaut und es geschehen lässt. – Verrückt friedlich!

Sarah N. Harvey, Arthur oder Wie ich lernte, den T-Bird zu fahren. Roman. A. d. Engl. von Ulli und Herbert Günther. [Orig.: Death Benefits, Victoria 2010], ab 14 Jahren
München: dtv Reihe Hanser 2013. 234 Seiten. EUR 14,40. ISBN 978-3-423-65001-4.

 

Weiterführende Links:
Sarah N. Harvey, Arthur oder Wie ich lernte, den T-Bird zu fahren
Homepage: Sarah N. Harvey

 

Helmuth Schönauer, 21-03-2014

Bibliographie

AutorIn

Sarah N. Harvey

Buchtitel

Arthur oder Wie ich lernte, den T-Bird zu fahren

Originaltitel

Death Benefits

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Hanser

Übersetzung

Ulli Günther / Herbert Günther

Seitenzahl

234

Preis in EUR

234

ISBN

978-3-423-65001-4

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Sarah N. Harvey ist Verlagslektorin und Autorin mehrerer Jugendbücher. Sie lebt in Victoria, British Columbia.