Günter Vallaster (Hg.), räume für notizen

titelbild: Günter Vallaster, räume für notizenDas größte Programm ist in der Literatur jenes, das den Anwendern den größten Raum lässt.

Günter Vallaster stellt in seinen Projekten jede Menge Raum zur Verfügung. Einmal sind es öffentliche Einrichtungen, an deren mehr oder weniger freien Wänden Literatur fixiert werden kann. Einziges Kriterium dabei, es muss sich Bild-artig an eine Wand nageln lassen. Zum anderen sind es freie Flächen, wie sie in manchen Büchern für Notizen angeboten werden, wenn ein halber Bogen beim Drucken übrigbleibt.

Größter Gott ist nach dieser Theorie das Vakuum, das frei übersetzt jener Raum ist, der noch nicht besetzt ist. Die mittlerweile zehnte Ausgabe der „Räume für Notizen“ geht auf zwei Festivals der virtuellen, digitalen und transmedialen Poesie 2014 und 2016 zurück. Einiges an Veranstaltungen hat im Literaturhaus in Wien stattgefunden. Petra Ganglbauer fasst den aktuellen Notizblock so zusammen:

„Das Buch enthält Abbildungen von Ganzkörperpoesie ebenso wie verbale Gemälde, Überschreibungen, Überzeichnungen, Abbildungen von Installationen oder eben auch visuelle Poesie im klassischen Sinn.“

Ins Auge sticht dann etwa ein Gebirgs-Comics „die Bergin ruft“, darin sind jede Menge Werbeslogans, Verzückungsschreie und Hansi-Hinterseer-Urlaute als Sprechblasen ausgestaltet, die aus Löchern, Gletscherspalten oder dem Gedärm weidenden Viehs in die schwarz-weiß-Karikatur hinaus zischen. United Queendoms zeichnet für dieses Projekt, das augenzwinkernd als Studie serviert wird.

Elffriede verdichtet intime Vorgänge in semi-transparente Standbilder, wo sich jemand die Zähne putzt, während ihm hinten etwas Dunkles abgeht, wo ein Staubsauger sich selbst in die Hand nimmt, und wo ein Kissen wirr angeschossen zu Wildpret mutiert.

Jörg Piringer druckt unter der Vorgabe „Was wird“ 3D-Schnecken aus, die sich an die Wand stellen, in Motoren einbauen oder in die Vitrine legen lassen. Die Dynamik des Ausdrucks erzeugt bei näherem Hinsehen tatsächlich Wind, wenn auch nur zweidimensional.

Ziemlich ungewöhnlich als „Notiz“ ist der Auftritt der Komponistin Stine Janvin Motland, die vor einer Schlagzeile stehend ein Stück namens Horizon singt. In diesem Akt sind offensichtlich alle Kunstgattungen zu einem Eintrag verschmolzen.

Günter Vallaster schließlich stellt eine CD vor, die mit allerhand Textmaterial im Collagen-Stil bedruckt ist und deren Botschaft man wohl ohne Laserlupe abtasten muss.

Obwohl sich die Notizen 10 haptisch wie eine satte Broschüre anfühlt, die prächtig in der Hand liegt, tun sich ganze Schwärme von Informationen auf, sobald man die Seiten anblättert.

Günter Vallaster (Hg.), räume für notizen. Visuelle, digitale & transmediale Poesie, Festivaldokumentation 2014 & 2016, mit Beiträgen von Tomomi Adachi, elffriede, Ilse Kilic, Barbara Köhler, Dieter Sperl, Wechselstrom, Herbert J. Wimmer u.a.
Wien: edition ch 2016, 198 Seiten, 20,00 €, ISBN 978-3-901015-65-6

Weiterführender Link:
Edition ch: Günter Vallaster (Hg.): räume für notizen

 

Helmuth Schönauer, 10-01-2017

Bibliographie

AutorIn

Tomomi Adachi / elffriede / Ilse Kilic / Barbara Köhler / Dieter Sperl / Wechselstrom / Herbert J. Wimmer / u.a.

Buchtitel

räume für notizen. Visuelle, digitale & transmediale Poesie

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Edition ch

Herausgeber

Günter Vallaster

Reihe

Festivaldokumentation 2014 & 2016

Seitenzahl

198

Preis in EUR

20,00

ISBN

978-3-901015-65-6

Kurzbiographie AutorIn

Günter Vallaster, geb. 1968 in Schruns, fünfzehn Jahre Innsbruck, lebt in Wien.