Gerald Pusch, Schwarzer Schnee

gerald pusch, schwarzer schneeWegen der schwarzen Milch des Paul Celan durfte das Wort „schwarz“ in der Literatur eine Zeitlang nur im Zusammenhang mit dem Holocaust verwendet werden. Ein paar Generationen später darf man jetzt wieder schwarzer Schnee sagen, wenn der Schnee schwarz ist.

Gerald Pusch erzählt von einem Mathematikstudenten in Linz, der während des Wintersemesters in ein schwarzes Loch fällt und nicht mehr herauskommt. Dabei beginnt der Roman wie eine österreichische Idylle, der Ich-Erzähler kommt nach ein paar Schaltvorgängen im Hirn aus dem nächtlichen Traummodus heraus und begibt sich zur Couch, wo sich eine nette Sitzmulde gebildet hat. Heute ist ein guter Tag, denn der Lieblingssender wird bis zu zwölf Stunden am Stück Schirennen übertragen.

Die Welt fokussiert sich ab jetzt zu einem Bildschirm zusammen, der im fließenden Übergang drei Schaufelder ausspuckt: Schirennen, Werbung, Demonstrationen in Dresden.

Vermutlich ist gar kein Unterschied zwischen diesen Welten, zumal der Held Wahrnehmungsprofi ist und sich alles plastisch vorstellen kann.

Plötzlich habe ich einen Plasmabildschirm am Schreibtisch stehen.

Es gibt freilich eine Außenwelt, die vor allem lästig ist. Als es läutet, verhält sich der Couch-Held so lange ruhig, bis die Gefahr vorbei ist. Später sieht er durch einen Vorhangschlitz seine Lisa über den Platz gehen und mit einem Clio davonfahren. Gegen den nächsten Angriff freilich gibt es keinen Widerstand, denn Gerhard hat Bier mit und kann als angehender Mediziner diverse Wehwehchen abklären.
Auf Weihnachten hin explodiert diese geordnete Welt, zumal sich das Studium vom Studenten zurückzieht. Die schwarzen Phasen werden häufiger und kommen knapp an einen permanenten Filmriss heran.

Bei Nacht ist in Österreich alles schwarz! (46)
Ich öffne die Augen, ich sehe Schwarz! (111)

Die Weihnachtsfeiertage gehen mit einem finnischen Kommilitonen halbwegs vorüber, wenn auch schwarz, der Erzähler beginnt zu prahlen, dieses viele Schwarz gibt es in Finnland nicht.

Im neuen Jahr dann laufen die Schirennen ununterbrochen, die Szene in Linz politisiert sich, weil man ähnlich wie in Dresden auf der Straße gefilmt werden will. Am Volksgarten laufen dann Pros und Contras auf einander zu und das erste Polizeiauto beginnt zu brennen.

Vielleicht kann eine Beziehung mit Lisa ein bisschen Ordnung in diese chaotische Welt bringen. Es spitzt sich auf die entscheidende Frage zu:

Können wir was ändern? – No, we can’t! (226)

Gerald Pusch zeigt ein Wintersemester eines Helden ohne Perspektive. In einem Fernseh-Land, das vorne aus Schirennen und hinten aus Werbung besteht, lohnt sich kein Studium, braucht es keine Diskussionen, es ist alles abgefilmt und gesagt. Selbst die Farben haben sich verabschiedet, sobald man wo hinschaut, ist es schwarz.

Gerald Pusch, Schwarzer Schnee. Ein Wintersemester, Roman
Klagenfurt: Sisyphus Verlag 2017, 226 Seiten, 14,80 €, ISBN 978-3-903125-11-7


Weiterführender Link:
Sisyphus Verlag: Gerald Pusch, Schwarzer Schnee

 

Helmuth Schönauer, 08-06-2017

Bibliographie

AutorIn

Gerald Pusch

Buchtitel

Schwarzer Schnee. Ein Wintersemester

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Sisyphus Verlag

Seitenzahl

226

Preis in EUR

14,80

ISBN

978-3-903125-11-7

Kurzbiographie AutorIn

Gerald Pusch, geb. 1977 in Linz, lebt im Mühlviertel.