Stefan Soder, Simonhof

stefan soder, simonhofJeder, der hinter der Lärmschutzmauer durch Tirol rast und einen Blick über die Sichtkante riskiert, fragt sich beklommen, wie hat dieses Land nur so entgleisen können?

Stefan Soder erzählt in seinem Roman „Simonhof“ kurz und glaubwürdig, wie das Land aus der Armut heraus in den Größenwahn explodiert ist und sich jetzt was einfallen lassen muss, will es die Zukunft nicht wieder in Armut erleben. In Form von alpinen Buddenbrooks kommen vier Generationen ins Spiel, die nach altem Alm-Adel vom einem Simon angeführt werden. Hier könnte der Untertitel Aufstieg und Einbremsen einer Familie passen.

Not und Wendigkeit (9) nennt sich die erste Sequenz, worin sich der Holzknecht Simon durch geschicktes Kartenspiel einen abgesackten Bergbauernhof erspielt, nachdem er mit der Wilderei gerade noch davongekommen ist.

In der Alpenfestung (76) spielt in der Kriegs- und Nazizeit, der Bauer muss einrücken, dafür kommen Fremdarbeiter und Kriegsgefangene auf den Hof. Ein Deserteur wird am letzten Kriegstag erschossen, der zweite Simon bringt als Jugendlicher das Hoferbe über die Bühne, während die Frauen diesen am Leben erhalten. Der Ur-Simon kommt gebrochen und vom Alkohol verzehrt aus dem Krieg zurück.

Heiße Sommer, Kaltes Wasser (133) nennt sich die Aufbruchsstimmung, in der der Hof auf allen Ebenen herausgeputzt wird. Uschi ist als Kriegsflüchtling integriert, der nächste Stammhalter-Simon ist homosexuell und stürzt sich die Felswand hinunter, erste Ausbaupläne eines Kölner Investors scheitern.

Schnee und Geld (192) nennt sich das Drama, in dem zuerst alles auf Pump zu einem Ressort ausgebaut wird, ehe die warmen Winter den Schneetourismus einbremsen. Man hilft sich mit Schneekanonen und Schnee in der Nase. In einem gigantische Apres-ski brennt alles ab und der Feuerwehrkommandant sagt richtig:

Jetzt seid ihr wieder Bauern. (245)

An dieser Stelle taucht die Erzählerin auf, sie ist die Tochter des letzten Simon und auf einem Musikausflug des Hoteliers entstanden. Sie zieht aus Hamburg auf den Berg und fühlt sich verstanden. Vor allem, weil sie den Geschichten zuhört, die sich die Bewohner immer und immer wieder augenzwinkernd erzählen unter dem Versprechen, dass alles wahr sei.

Die Moral von der Geschicht ist höchst passabel, was zu groß geworden ist, muss redimensioniert werden, und erst was in einer Geschichte Platz hat, haben die Menschen begriffen. Wir müssen die Gegenwart so gestalten, dass wir sie in der Zukunft erzählen können. - Eine ergreifende Alpensaga voller emotionaler Apps! Zeitgenössisch und einleuchtend.

Stefan Soder, Simonhof. Roman
Wien: Braumüller Verlag 2017, 259 Seiten, 20,00, €, ISBN 978-3-99200-179-8

 

Weiterführende Links:
Braumüller Verlag:
Wikipedia: Stefan Soder, Simonhof

 

Helmuth Schönauer, 10-06-2017

Bibliographie

AutorIn

Stefan Soder

Buchtitel

Simonhof

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Braumüller Verlag

Seitenzahl

259

Preis in EUR

20,00

ISBN

978-3-99200-179-8

Kurzbiographie AutorIn

Stefan Soder, geb. 1975 in Kirchberg in Tirol, lebt in Wien.