Christine Teichmann, Gaukler

gauklerKönnen Clowns ein normales Leben führen, wenn die Show vorbei ist? Können Clowns Kinder kriegen, und wenn ja, sind dies dann auch Clowns?

Christine Teichmann zeigt mit dem Roman „Gaukler“ eine vorerst normale Familiengeschichte, die zum Begräbnis der Mutter aufgerollt und für die Gegenwart präpariert wird. Das Besondere aber ist, dass es sich um eine Familie aus dem Zirkus-, Jongleur- und Clown-Milieu handelt. Als Leser stutzt man, denn es ist tabu, dass der Clown ein normaler Mensch ist, wenn er von der Bühne geht. Ok, melancholisch und suizidgefährdet darf er sein. Aber erotisch oder gar geil?

Dora hat mit der Familie gebrochen und ist von Graz nach Deutschland übersiedelt. Sie hat sich statt eines Psychologiestudiums von Erich schwängern lassen, den sie dann auch geheiratet hat. Der Bruch mit der Familie ist radikal, denn bislang haben Vater, Mutter und Kinder im Zirkusmilieu gelebt. Da geht es anscheinend so drunter und drüber, dass für eine bürgerliche Ehe kein Platz ist.

In Wirklichkeit aber geht es in normalen bürgerlichen Ehe drunter und drüber. Dora hat nämlich neben dem Mann ein Max- und Moritz-Verhältnis, das zum Teil lausbubenartig voller Streiche ist, andererseits als Antifolie zum biederen Leben notwendig ist.

Dora kriegt eine Parte, dass Mutter bei einem Trainingsunfall verstorben ist. Jetzt fährt sie doch nach Graz zum Begräbnis, um wenigstens etwas von den Todesumständen zu erfahren. Auf dem Weg zum Begräbnis der Mutter läuft die Kindheit besonders dramatisch durch den Kopf. Dora ist niedergestreckt von den Flashes mit und ohne Zirkus. Als dann noch die Geschwister Rede und Antwort stehen, wird die Vergangenheit endlich schweren Herzens abgearbeitet.

Vater hat offensichtlich als Künstler ein erotisches Verhältnis gehabt, das knapp an einer Vergewaltigung vorbeispaziert ist. Ein dubioses Foto davon hat Mutter nie verwunden. Jetzt hat sie sich noch einmal ihre Künstlersachen angelegt und sich bei Applausmusik vom Rekorder in der Scheune das Leben genommen. Das Anwesen ist hoch verschuldet, die Kinder werden es nicht übernehmen. Die Familiennummer ist aus.

Christine Teichmann warnt in einem Nachwort vor den Folgen des Feuerschluckens, das ohne professionelle Ausbildung nicht betrieben werden darf. Und tatsächlich ist der „Gaukler“-Roman an vielen Stellen so konkret und dramatisch, dass er wie ein Handbuch zur Kunst des Varietés gelesen werden kann. Während sich die Heldin vom Gaukler-Milieu befreit, müssen wir Leser uns wahrscheinlich von der Illusion befreien, die Illusion der Clowns sei das wirkliche Clown-Leben.

Christine Teichmann, Gaukler. Roman
Graz: Edition Keiper 2017, 222 Seiten, 22,50 €, ISBN 978-3-903144-26-2

 

Weiterführende Links:
Edition Keiper: Christine Teichmann, Gaukler
Homepage: Christine Teichmann

 

Helmuth Schönauer, 10-02-2018

Bibliographie

AutorIn

Christine Teichmann

Buchtitel

Gaukler

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Edition Keiper

Seitenzahl

222

Preis in EUR

22,50

ISBN

978-3-903144-26-2

Kurzbiographie AutorIn

Christine Teichmann, geb. 1964 in Wien, lebt in Graz.