Heinz Rudolf Unger, Löwenslauf

Buch-Cover

Aufklärung geht selten ruckzuck über die Bühne, ob es nun um die Lösung eines mutmaßlichen Verbrechens geht oder es sich um die Auflösung von zeitgeschichtlichen Tarnereignissen handelt.

Folglich ist die Langsamkeit, die der pensionierte Kommissar Fuchs seinen Gedanken zugrunde legt, durchaus projektfördernd. Und auch der Anlass für die Recherchen kommt nicht gerade aus dem Hochgeschwindigkeitsbereich, der alte Lapinsiki ist beim Stehen in einem Freiluftschachbrett in die Figuren gefallen.

Das ist wohl die ideale Ausgangsposition für historisches Flanieren. Der Kommissar hat jede Menge Zeit, das Opfer liegt kunstvoll installiert auf den Brettern des Schachspiels und zu allem literarischen Überfluss taucht das so genannte Konvolut Lapinskis auf. Wie in der trendigen Literatur der Gegenwart üblich, ist der Hauptdarsteller ein Relikt aus der Nazizeit, das jetzt aufgearbeitet wird.

Lapinski ist Sohn eines jüdischen Uhrmachers, gerade noch vor den Nazis nach Frankreich entkommen, hat sich dort in die Tochter eines Resistancekämpfers verliebt und aus Sicherheitsgründen die Identität eines verstorbenen Polen angenommen. Bereits während des Krieges kommt er als Zwangsarbeiter nach Wien zurück und behält die seltsame Identität bei.

Aber Kommissar Fuchs arbeitet das alles gründlich auf. In einer Mischung aus Dritter Mann und John Le Carré sind wir in die Nachkriegszeit versetzt, und sehen alles mit den milden Augen der Gegenwart. Nicht nur die Zeit heilt alle Wunden, auch das österreichische Wesen hat es so an sich, dass alles etwas putzig ausfällt, schon während es geschieht.

So sind die Figuren alle mit einer imaginären Verkleinerungsform ihrer selbst unterwegs, während sie zur Abwicklung der Zeitgeschichte schreiten. Besonders die österreichischen Sozialisten sind fast immer eine Karikatur, eingekeilt zwischen hartem Parteiprogramm und sanften Alltagsbedingungen.

Um den hingestreckten Lapinski herum tauchen alle diese peripheren Figuren der Zeitgeschichte noch einmal auf und üben so etwas wie einen permanenten Abgang. Lapinski hat nämlich beinahe überirdische Fähigkeiten und ordnet die Menschen den Tierschicksalen zu. Da gibt es nicht nur den Kommissar Fuchs, sondern auch eine Robbe und eben den Löwen, als der sich Lapinski empfindet.

Das Konvolut, in Kursivschrift als eine Metabotschaft im Text abgehoben, erzählt in einer Mischung aus philosophischer Reduktion und naturpoetischer Implantation den Zusammenhang zwischen den einzelnen Geschehnissen und Charakteren. Dabei entwickelt sich eine zeitlose Gedankenkette, die etwas von der alchimistischen Esoterik eines Paolo Coelho an sich hat.

Die Lösung des Kriminalfalles ist eigentlich belanglos, weshalb sie auch verraten werden darf. Der Täter hat sich unspektakulär selbst zu Fall gebracht. Heinz R. Unger erzählt im Löwenslauf mit den Augen eines abgeklärten Kommissars ein Stück gut abgehangenes Österreich. Ja, wir alle sind an manchen Tagen wie die Tiere, aber manchmal sind wir auch müde und zu faul, wirklich tierisch zu sein. Das ist dann wahrscheinlich das Österreichische in uns.

Heinz R. Unger, Löwenslauf. Roman.
Innsbruck: Haymon 2004. 239 Seiten. EUR 19,90. ISBN 3-85218-459-2.

 

Helmuth Schönauer, 04-11-2004

Bibliographie

AutorIn

Heinz Rudolf Unger

Buchtitel

Löwenslauf

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Haymon

Seitenzahl

239

Preis in EUR

EUR 19,90

ISBN

3-85218-459-2

Kurzbiographie AutorIn

Heinz Rudolf Unger, geb. 1938, lebt in Wien.

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