Harald Specht, Geschichte(n) der Lüge

Bild: harald specht_geschichte der lüge„Nach bestem Wissen und Gewissen soll hier Wahrheit und nichts als die Wahrheit dominieren, wenn wir Sie, liebe Leser, Auge in Auge, Zahn um Zahn und über beide Ohren mit den „Geschichte(n) der Lüge“ und den zahllosen Verfehlungen wider das 8. Gebot konfrontieren. Und da das Lügen laut HAUG den Menschen sogar Vergnügen bereiten soll, wünschen wir Ihnen dasselbige auch hier, beim Stöbern nach der reinen Wahrheit.“ (S. 11 f)

Seit es Menschen gibt, wird gelogen, wobei auch die moralische Bewertung dieser Lügen sich mit der Entstehung von Moralsystemen und Religionen entwickelt und verändert hat. So gilt in der Evolution das Lügen bei Tieren als durchaus zielgerichteter und erfolgversprechender Fortschritt. In der Geschichte der Menschen hatten Lügen unterschiedliche Effekte, unterhaltsam waren sie für heutige Leserinnen und Leser aber allemal, wie die „Geschichte(n) der Lüge“ nachdrücklich unter Beweis stellen.

In neun Kapiteln nähert sich der Autor dem Täuschen, Betrügen, Mogeln und anderen Erscheinungsformen der Lüge in der Geschichte der Menschheit aber auch im Tierreich von allen Seiten der Wissenschaft, Kunst und literarischen Aufzeichnungen an. Ebenso breit gefächert zeigten sich dabei auch die Qualität und Folgen der Lügen, die von gefälschten Blinksignalen von Glühwürmchenweibchen über die gefälschten Hitler-Tagebücher bis hin zur Erfindung von Gründen für den Krieg der USA gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein reichen, dem letztlich zigtausenden Menschen zum Opfer gefallen sind.

Im ersten Kapitel „Schwierigkeiten über Schwierigkeiten …“ wird dem Wesen der Lüge auf den Grund gegangen und gezeigt wie schwer es auch heute noch ist, Lügen, wenn sie nur oft genug wiederholt werden, als Lügen zu erkennen. Als Beispiel dafür wird die Geschichte vom Attentäter genannt, der angeblich durch die Rücksendung seiner eigenen Briefbombe in Stücke gerissen worden sei, was übrigens eine erfolgreich weiterverbreitete Lüge gewesen ist.

Aber nicht nur wir Menschen scheinen ohne Lüge nicht auskommen zu können, auch Tiere verstehen es erfolgreich zu lügen, wie das Kapitel „Warum Gottes Geschöpfe lügen“ an zahlreichen interessanten Beispielen dokumentiert. Auf den Akt des Lügens selbst konzentriert sich das Kapitel „Und wie wir lügen“ in dem auch Hinweise geboten werden, wie Lügen zu erkennen sind.

Die der Geschichte der Philosophie und der Religionen spielt die Forderung nach Wahrheit und damit die Ablehnung der Lügen eine zentrale Rolle, wie das Kapitel „Liebe zur Weisheit und Suche nach der Wahrheit – Das ehrliche Bemühen der Philosophen und Gotteskinder“ aufzeigt, wobei die folgenden Kapitel „Das heillose Lügen in der Heiligen Schriften“ und „Besondere Formen der Lüge“ zeigen, dass auch die Religionen und ihre Heiligen Schriften weit entfernt davon sind die Wahrheit und nichts als die Wahrheit von sich zu geben.

Nicht weniger unterhaltsam und informativ zeigen sich die Kapitel „Lüge und Wahrhaftigkeit – Ein kompliziertes Paar der Doppelmoral“ sowie „Tarnen, Tricksen, Täuschen: Lug und Trug in der Historie“ in denen zahlreiche Gerüchte, Lügen und Betrügereien in der Geschichte vorgestellt und kommentiert werden. Das abschließende Kapitel „Die Pinocchio-Gesellschaft: Die Lüge zwischen Unterhaltung, Skandal und Propaganda“ spannt noch einmal einen großen Bogen von den unterhaltsamen Lügengeschichten des Barons von Münchhausen, über die weniger unterhaltsame Propagandamaschinerie des amerikanischen Präsidenten Bush bis hin zu einer persönlichen Geschichte des Autors über eine liebevolle Notlüge eines Studienkolleges.

Harald Spechts „Geschichte(n) der Lüge“ bietet auf ebenso lebendige, geistreiche wie informative Weise eine beachtenswerte Sammlung an Zeugnissen für das Lügen in der Geschichte der Menschheit. Die spannend und anschaulich erzählten Geschichten erstrecken sich über alle Gebiete des menschlichen Lebens, von der Politik bis zur Kunst, ganz ohne moralischen Zeigefinger aber mit viel Freude am Erzählen, womit erneut gezeigt wird, dass Sachbücher weit mehr sein können, als Medien der Wissensvermittlung.

Ein überaus empfehlenswertes und ebenso unterhaltsames, anregendes wie informatives Sachbuch, das durch seine geistreiche Darstellung ein erquickliches Lesevergnügen garantiert.

Harald Specht, Geschichte(n) der Lüge - Amüsantes und Skandalöses rund ums 8. Gebot
Leipzig: Engelsdorfer Verlag 2006, 463 Seiten, 22,00 €, ISBN 978-3-939144-83-0

 

Weiterführende Links:
Engelsdorfer Verlag: Harald Specht, Geschichte(n) der Lüge - Amüsantes und Skandalöses rund ums 8. Gebot
Wikipedia: Harald Specht

 

Andreas Markt-Huter, 07-08-2019