Jonathan Haidt, Generation Angst

jonathan haidt, generation angst„Generation Angst ist ein Buch, in dem es darum geht, wie wir das menschliche Leben für Menschen aller Generationen zurückerobern können.“

Das Buch „Generation Angst“ von Jonathan Haidt beleuchtet die Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Jugendlichen. Haidt, Sozial- und Moralpsychologe, sucht nach den Ursachen und sieht die Gründe vor allem in einer überbehüteten Kindheit und dem zunehmenden Einfluss von Smartphones, Social Media und der Selfie-Kultur. Diese technologischen Entwicklungen hätten das Leben junger Menschen massiv verändert und zu einem Anstieg von Angststörungen, Depressionen und Selbstverletzungen geführt. Haidt untermauert seine Thesen mit internationalen Studien, Statistiken und Grafiken, die den globalen Charakter des Problems aufzeigen.

Er macht insbesondere den Unterschied zwischen den Millenials (geboren 1981–1995) und der Gen Z (bis 2010) deutlich. Während die Älteren noch von wirklichen sozialen Interaktionen profitierten, sei die jüngere Generation in eine entkörperlichte Welt der asynchronen, digitalen Beziehungen abgetaucht. Dabei betont Haidt, dass auch die Überbehütung durch Eltern in der realen Welt und der gleichzeitige Mangel an Aufsicht in der digitalen Welt zu schweren psychischen Problemen führt.

Das Werk verwendet häufig dramatische Begriffe, wie die „Große (sic!) Neuverdrahtung“, um die tiefgreifenden Veränderungen in unserer Gesellschaft zu beschreiben. Als Konsequenz fordert Haidt Maßnahmen wie Handyverbote an Schulen, den Zugang zu Social Media erst ab 16 Jahren und mehr unüberwachtes Spiel im Freien. Sein alarmistischer, dystopischer Ton und seine oft vereinfachenden Vergleiche (Kinder mit Welpen, Katzen oder Bäumen) tragen dazu bei, dass das Buch stark emotionalisiert. Dies ist jedoch auch dem Thema geschuldet.
Haidts radikale Kritik an der digitalen Welt erinnert an Werke wie Manfred Spitzers „Digitale Demenz“ und eignet sich bestens dazu, Bücher zu verkaufen.

Der Autor sieht die Verantwortung auch bei den Tech-Giganten aus dem Silicon Valley, die mit manipulativen Plattformen das Gehirn junger Menschen quasi „gehackt“ hätten. Doch er bleibt stur und apodiktisch in seiner These und lässt kaum andere Erklärungen zu, wie etwa die Auswirkungen von 9/11, von Kriegen oder Wirtschaftskrisen auf die Psyche der Jugendlichen, die andere Autorinnen wie Karla Vermeulen in „Generation Desaster“ thematisieren.

Ob Haidts Erkenntnisse aus den USA auf Europa übertragbar sind, bleibt fraglich. Zwar gibt es da wie dort ähnliche Herausforderungen, doch seine Sichtweise bleibt einseitig, indem er die positiven Aspekte der Digitalisierung nur selten hervorhebt. Dennoch macht er auf wichtige Probleme wie den Anstieg des täglichen Pornokonsums bei Jugendlichen oder die negativen Auswirkungen von perfekt inszenierten Vorbildern auf Mädchen aufmerksam.

Seine Forderung nach einem „digitalen Sabbat“ und mehr analogen Erfahrungen sowie die Bedeutung von Medienkompetenz in der Erziehung finden breite Zustimmung. Haidt erkennt, dass eine Lösung des Problems nur durch das kollektive Handeln von Eltern, Pädagog:innen, Regierungen und Tech-Unternehmen möglich ist. Trotz mancher Übertreibungen liefert er wichtige Impulse für die Debatte über den Umgang mit digitalen Medien und die psychische Gesundheit der jungen Generation.

Jonathan Haidt, Generation Angst. Wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren und ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzen, übers. v. Monika Niehaus-Osterloh / Jorunn Wissmann [Orig. Titel: The Anxious Generation]
Hamburg: Rowohlt Verlag 2024, 445 Seiten, 27,50 €, ISBN 978-3-498-02836-7

 

Weiterführende Links:
Rowohlt Verlag: Jonathan Haidt, Generation Angst
Wikipedia: Jonathan Haidt

 

Kerstin Kuba, 01-10-2024
bearbeitet: Andreas Markt-Huter, 02-10-2024