Vorlesen und Lesen im Kindergartenalter

Die Kultur des Lesens und des Umgangs mit Büchern aber auch das Gefühl für Sprache und die Freude an Geschichten beginnen bereits im Kleinkindalter und orientieren sich am Vorbild der Eltern.

Regelmäßiges Vorlesen, ein entspanntes, angenehmes Umfeld, die entsprechende Begeisterung und eine bewusste Auswahl an guter, altersgerechter Lektüre bilden eine geeignete Grundlage, um ein positives Umfeld zu schaffen. Hier kann der Samen, aus dem sich Lesebegeisterung, Neugier an Büchern und grundlegende Sprachkompetenzen entwickeln, auf fruchtbaren Boden fallen.

Neben der ersten Lese- und Sprachförderung in der Familie bietet vor allem der Kindergarten die Möglichkeit, unterschiedliche familiäre Voraussetzungen und Erfahrungen von Kindern mit dem Lesen auszugleichen und auch jenen Kindern die Freude am Lesen und an Geschichten zu vermitteln, denen zu Hause wenig oder gar nicht vorgelesen wird.

Praxismappe „Leseförderung im Kindergarten

Besonders interessante und hilfreiche Informationen, Tipps und Ideen für die Leseförderung und das Vorlesen im Kindergarten bietet die Praxismappe „Leseförderung im Kindergarten“, die vom österreichischen Buchklub und der Leseförderungseinrichtung des Landes Niederösterreich „Zeit Punkt Lesen“ als pdf. Datei veröffentlicht worden ist.

Neben pädagogischen Hinweisen zur frühkindlichen Bildung als Grundstein des Lesens, sowie Buchtipps zur pädagogischen Lektüre rund ums Lesen im Kindergartenalter, wird auch das Thema „Kinder mit einer anderen Erstsprache als Deutsch“ behandelt und worauf bei der Sprachförderung für Kinder mit einer anderen Muttersprache als Deutsch geachtet werden sollte.

Die weiteren Kapitel stellen die Themen Bücher und Vorlesen zum Thema, wobei zunächst die Auswahl geeigneter Lektüre für den Kindergarten zur Sprache kommt. Neben einem allgemeinen Überblick über die verschiedenen Kinderbuchgattungen, werden Qualitätskriterien für Kinderbücher sowie Buchtipps ebenso vorgestellt, wie Hinweise und Tipps für kindergerechtes Vorlesen.

Weitere Themen sind der Kindergarten als ein Ort der Bücher in denen die Themen „Leseecke oder Lesezimmer“, „Kindergartenbücherei“, „Sprachspielereien“, „Darstellendes Spiel“ und „Ideenkiste zu finden sind. Ganz wichtig ist auch der Bereich „Elternarbeit im Kindergarten“, wo „Ideen für Vorleseprojekte mit den Eltern“ vorgestellt werden und Antworten auf spezifische Elternfragen zu lesen sind.

Am Ende werden noch die zwei Beispielprojekte „Märchenreise“ und „Ein Buch selbst basteln“ mit detaillierten Beispielen näher beschrieben, wobei im ersten Projekt das Geschichtenerzählen und im zweiten Buch und Basteln im Vordergrund stehen.

Die Kopiervorlagen am Ende der Praxismappe bieten sowohl ausgearbeitete Elterninformationen zu den Themen Lesen, Vorlesen, Tipps zum Vorlesen, als auch einen vorgefertigten Elternfragebogen zur Leseförderung.

Elternbroschüre für den Kindergarten

Speziell für Eltern bietet der Österreichische Buchklub eine eigene „Elternbroschüre für den Kindergarten“ wo anschaulich beschrieben wird, wie Eltern mit ihren Kindern schöne und bleibende Leseerlebnisse gestalten können. Hier finden sich Tipps wie z.B. „Lesen Sie ihrem Kind regelmäßig vor, z.B. täglich zehn Minuten vor dem Einschlafen.“ oder „Lesen kann man überall: im Auto, im Zug, im Wartezimmer, im Urlaub.“ Außerdem wird das Bilderbuchmagazin „Mini-PHILIPP: Lese-, Spiel- und Bastelbuch für Kindergarten, Vorschule und Eltern“ für die Sprachentwicklung und Leseförderung von Kindergarten- und Vorschulkindern vorgestellt.

Dialogisches Lesen

Ein überaus interessanter Beitrag zur Lese- und Sprachförderung im Kindergartenalter ist unter www.kindergartenpaedagogik.de zu finden, wo ein Beitrag von Karoline Kraus zum Thema „Dialogisches Lesen – neue Wege der Sprachförderung in Kindergarten und Familie“ aus dem Jahr 2005 zu lesen ist, der eine neue Form der Lese- und Sprachförderung beschreibt, in der die aktive und spielerische Teilnahme der Kinder beim Lesen und Vorlesen in den Mittelpunkt gestellt wird.

Dabei stellt die Autorin zunächst die klassische Art des Vorlesens, bei der die Aktivität beim Erwachsenen liegt, während die Kinder passiv bleiben und zuhören, dem Dialogischen Lesen gegenüber, wo der Erwachsenen zwar anfangs auch aktiv ist und Fragen stellt oder Impulse gibt, jedoch zunehmend passiver wird, während die Kinder immer aktiver in den Leseprozess hineinwachsen.

Während beim klassischen Vorlesen kaum Interaktion zwischen Kindern und Erwachsenen stattfindet und Beiträge der Kinder eher stören und nur kurz kommentiert werden, sind sie beim Dialogischen Lesen ausdrücklich erwünscht und werden beim Lesen aufgegriffen, integriert und erweitert. Alle Beteiligten befinden sich dabei in ständiger Interaktion, wobei die Kinder für ihre Beiträge gelobt werden. Ziel beim dialogischen Lesen ist es, gezielt die kindliche Sprachaktivität anzuregen und die Sprech- und Sprachfähigkeiten zu verbessern und zu steigern.

In Folge werden verschiedene Techniken des Dialogischen Lesens für spezifische Altersstufen der Kinder vorgestellt und auf Forschungsergebnisse zu dieser Lesetechnik aus dem amerikanischen Raum verwiesen, wo das Dialogische Lesen entwickelt wurde und bereits entsprechende Erfahrungen vorliegen.

Neben dem Umstand, dass die Kinder durch Lob und Wertschätzung beim Dialogischen Lesen ein größeres Selbstbewusstsein und ein positiveres Selbstbild aufbauen konnte, wurde weitere verblüffende Ergebnisse festgestellt:

1. Kinder, die in ihrer sprachlichen Entwicklung einen Rückstand auf Gleichaltrige hatten, konnten durch die Leseförderung in kürzester Zeit (sechs Wochen) ihre sprachlichen Fähigkeiten so weit verbessern, dass sie den gleichen Entwicklungsstand wie die Kinder hatten, die ihnen noch vor kurzem um Längen voraus waren.
2. Der Wortschatz wurde erweitert, neue Begriffe und deren Bedeutung wurden erlernt. Grammatische Strukturen und Sprache in ihrem Kontext wurden verstanden.

Dialogisches Lesen – neue Wege der Sprachförderung in Kindergarten und Familie

Ein großer Abschnitt befasst sich mit den „Voraussetzungen der Erzieherin“ sowie den „Lehrplaninhalten in Bezug auf das Vorlesen“. Dabei werden einzelne Lernmodule vorgestellt, die für das Dialogische Lesen von besonderer Bedeutung sind, wie spezifische Kommunikations-, Lern- und Arbeitstechniken, das Gestalten von Erziehungssituationen, das Anregen und Unterstützen von Bildungsprozessen und die Förderung von Sprachprozessen.

Im Abschluss bieten die Bildungs- und Erziehungspläne der deutschen Bundesländer Rheinland-Pfalz und Bayerns sowie eine kurze Darstellung von Vorlesetechniken nach Heinz Schlinkert weitere interessante Anregungen zum Thema.

Methodik der Bilderbuchbetrachtung

Heinz Schlinkert Beitrag „Zur Methodik der Bilderbuchbetrachtung“ befasst sich ausführlicher mit der Bedeutung und dem Einsatz von Kinderbüchern sowohl zu Hause als auch im Kindergarten. Neben den verschiedenen Möglichkeiten und Zielen Bilderbücher erzieherisch einzusetzen, geht Schlinkert auch näher auf räumliche und technische Voraussetzungen ein, die beim gezielten Lesen von Bilderbüchern helfen können.

Im Mittelpunkt der Darstellung stehen didaktische Hinweise wie z.B. das Paradox „Bilderbücher vorzulesen“ oder wie es durch gezielte Fragen und Impulse gelingen kann, die Sprachentwicklung zu fördern. Dabei kommt sowohl dem Erzählen und Vorlesen, wie auch dem bewussten Ablauf bei der Bilderbuchbetrachtung eine zentrale Bedeutung für ein gelungenes Leseerlebnis zu.

 

Weiterführende Links:
Zeitpunkt Lesen
Buchklub
Kindergartenpädagogik

 

Andreas Markt-Huter, 12-09-2013

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