Christa Mulack, Gewalt im Namen Gottes

„Warum also ein Buch, das sich mit jenem Glauben befasst – dem Monotheismus –, dessen Gott dem Machtkalkül einer priesterlichen Verfassergruppe entsprungen scheint, deren Wahrheitsbedürfnis weit hinter ihrer Machtgier zurückstand?“ (12)

Christa Mulack geht in ihrer Monographie den theologischen Grundlagen der Gewalt in den monotheistischen Religionen des Judentums, Christentums und des Islam nach und untersucht dazu das Gottesbild und die Glaubensrichtlinien im Alten Testament. Eines der zentralen Leitmotive des Buches bildet die Erkenntnis, dass mit der Durchsetzung der Idee der „Jawhe-Allein-Bewegung“ von einem einzigen männlichen Gott, das weibliche Element der polytheistischen Glaubenswelt mit Gewalt vertrieben worden ist.

In „Teil I: Grundlagen und Wesen des biblischen Monotheismus“ geht die Autorin der Frage nach, welche Auswirkungen, welchen Kulturbruch und Bedeutungsverlust der Einbruch des Monotheismus in eine polytheistische Welt nach sich gezogen hat. Dabei wird zunächst dem Wahrheitsgehalt der biblischen Texte im Alten Testament nachgegangen, wie er sich u.a. aus dem Befund von Archäologen ergibt. Anschließend werden die wichtigsten „biblischen Propagandisten religiöser Gewalt“ (45) vorgestellt, wie sie von der „Jawhe-Allein-Bewegung“ im Alten Testament gezeichnet worden sind.

Neben Jan Assmanns „Monotheismus-Kritik“ als Religion der Gewalt kommen auch die frauenfeindliche Symbolsprache des Propheten Hosea, das Gottesbild der „Jawhe-Allein-Bewegung“ sowie Folgen der Gewalt in der Religion für die Gegenwart zur Sprache.

Der Versuch der „Jawhe-Allein-Bewegung“ mit rigoroser Gewalt den alleinigen Machtanspruch eines männlichen Gottes durchzusetzen, löste als Reaktion einen weiblichen Widerstand gegen den Monotheismus aus, der mit Jahrtausenden alten Vorstellung und Traditionen gebrochen hat und der dem unmittelbaren Erleben der Natur widersprach.

„Teil II: Das babylonische Exil als historischer Durchbruch des Monotheismus“ zeigt auf, wie es den monotheistischen Glaubenseiferern letztlich gelingen konnte, trotz heftiger Widerstände, Jawhe als alleinigen Gott durchzusetzen und damit gleichzeitig die Frau in Religion und Gesellschaft an den Rand zu drängen. Dabei wird der „Prophet des Exils“, Ezechiel, als „Erfinder des religiösen Pogroms“ (115) aufgedeckt, der zu öffentlichen Gewaltakten gegen Ungläubige im Namen Jawhes aufrief und die Frau als „Repräsentantin des Bösen“ (121) diskreditierte.

Der religiösen Minderheit der „Jawhe-Allein-Bewegung“ gelang es in der Zeit des babylonischen Exils durch zahlreiche Gebote wie das Sabbatgebot oder die Beschneidung Druck auf die jüdische Bevölkerung auszuüben und am Ende des Exils einen exklusiven monotheistischen Männerbund durchzusetzen. Die weiteren Kapitel zeigen am Beispiel der nachexilischen Propheten den anhaltenden Widerstand in der Bevölkerung auf, der durch religiösen Terror gebrochen werden sollte.

Aber auch das Phänomen das eigene Leben für den Kampf im Namen Gottes und der Religion zu opfern oder die Vernichtung Andersgläubiger zu fordern, lässt sich bereits bei den Zeloten u.a. in den Schriften des Alten Testaments nachweisen, was schließlich seinen Höhepunkt in den Diaspora-Aufständen und im Bar-Kochba-Aufstand erreichte.

Neben der Analyse der Schriften des Alten Testaments wird das aus dem Monotheismus hervorgehende Patriarchat auch als „Verursacher psychischer Störungen“ entlarvt, wobei Mulack vor allem auf die Schriften von Sigmund Freud und den Psychiater Otto Gross zurückgreift. In einem weiteren Kapitel wird der Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat, dem veränderten Verhältnis der verschiedenen Geschlechterrollen zueinander und dem Frauenbild in der antiken Literatur thematisiert.

Die abschließenden Kapitel schließen den Bogen in die Gegenwart und zeigen die Probleme monotheistischer patriarchaler Gewalt für die Gegenwart auf und verweisen auf Schriften in der Bibel jenseits der monotheistischen Gewalt, wie z.B. das Buch Jona oder die überlieferten Spruchweisheiten. Als Gegenentwurf zum patriarchalen Monotheismus stellt Mulack „die Priorität des weiblichen im Tao-Te-King“ als alternativen spirituellen Weisheitsentwurf und die „Ur-Religion der Steinzeit“ vor. Am Ende bricht sie Lanze für das mythische Denken als „Verstehenshilfe und Quelle der Kraft“ (357).

Christa Mulack schildert mit viel Detailwissen, wie es eine kleine Gruppe fanatischer Religionseifere schließlich gelang, mit Androhung und Anwendung von Gewalt den Monotheismus durchzusetzen, der von nun an Teil der Gemeinschaften der monotheistischen Religionen sein sollte. Grundlage war die Vertreibung der anderen, vor allem weiblichen Gottheiten, mit der auch die Vorherrschaft der Männer über die Frauen zementiert wurde.

Dabei weicht die Autorin von der üblichen Perspektive der Propheten und Jawhe-Anhänger ab und nimmt die Sichtweise ihrer Gegner und Opfer ein, die sich gegen die Machtergreifung über die religiöse Deutungshoheit zur Wehr setzten. Dabei macht sie anhand der biblischen Texte auch klar sichtbar, wie groß und verbreitet der Widerstand gegen den Glauben an „Jawhe allein“ war.

Christa Mulack überaus scharfe und detaillierte Analyse der biblischen Texte, macht deutlich, wieviel Gewalt bei der Durchsetzung des Eingottglaubens im Spiel war und wie stark sich die dramatischen Auswirkungen bis heute in der Gesellschaft wiederspiegeln.

Christa Mulack, Gewalt im Namen Gottes. Ursachen und Hintergründe im biblischen Monotheismus
Marburg: Tectum Verlag 2016, 382 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-8288-3641-9

 

Weiterführende Links:
Tectum Verlag: Christa Mulack, Gewalt im Namen Gottes
Wikipedia: Christa Mulack

 

Andreas Markt-Huter, 26-06-2017

Bibliographie

AutorIn

Christa Mulack

Buchtitel

Gewalt im Namen Gottes. Ursachen und Hintergründe im biblischen Monotheismus

Erscheinungsort

Marburg

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Tectum Verlag

Reihe

Religionskritik

Seitenzahl

382

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-8288-3641-9

Kurzbiographie AutorIn

Dr. Christa Mulack wurde 1943 in Hamburg geboren, hat Theologie und Erziehungswissenschaften studiert und über die Kabbala promoviert. Sie hatte Lehraufträge an verschiedenen Universitäten und kirchlichen Hochschulen. Sie ist Autorin kulturkritischer Bücher zu theologischen und psychologischen Themen.