Daniela Emminger, Gemischter Satz

Eine Novelle ist vielleicht so etwas wie eine alte Maßeinheit des Erzählens, und wenn man durchaus zeitgenössische Dinge damit abmisst, ergeben sich verblüffende Relationen.

Daniela Emminger nimmt tatsächlich die Novelle als Maß für eine unmögliche Liebesgeschichte und erläutert im Vorspannt, was ein gemischter Satz ist. Neben einem sprachlichen Gebilde mit allerhand Subjekten und Objekten ist der gemischte Satz vor allem eine Form der Weinzusammenmischung, bei der verschiedene Sorten am gleichen Acker angebaut und dann vermischt werden.

Diese bodenständige Vermischungssehnsucht ist auch der Anlass, warum sich ständig Männlein und Weiblein treffen, lieben, Säfte austauschen und reifen, nachdem sie einzeln explodiert sind. Die Heldin Agatha wird fast protokollarisch durch ihr eigenes Leben geführt. Was ihr geschieht, fällt in beinahe sarkastischer Sprache über sie selbst und die Leserschaft her. In Kleist‘scher Manier wird in der Novelle straff ein Liebesprogramm abgearbeitet, wobei die Auswirkungen des Tuns stets auf dem Fuße folgen. Man könnte fast von einer Lehrgeschichte im Stile des Struwwelpeters sprechen.

Ehe die Heldin zu einer straffen Liebhaberin wird, die die Männer wie Kriminalfälle abarbeiten muss, fungiert sie noch als Ich-Erzählerin, die in eine ungewöhnliche Geschichte gestoßen ist. Sie horcht zu viel in sich hinein, ehe sie sich sprichwörtlich die Brüste amputiert und ihren eigenen Liebesfall kalt abarbeitet.

Der Plot ist wie bei allen Liebesgeschichten ziemlich trivial. Eine Frau nummeriert ihre Lover, bei Nummer sieben drehen die Gefühle durch und sie folgt dieser Nummer von Wien nach Berlin. Eine Zeitlang ist die Erotik so stark, dass es Titten zum Frühstück gibt, sie wohnen Haut an Haut und rundherum gibt es Depressive. Doch dann „versuchen sie es mit Zustandsignoranz: Alkohol, Essen, Fressen, Laufen, Davonlaufen.“ 44)

Es kommt zum erwarteten Liebesunfall, der sich wie ein offizieller Unfall auf der Straße abspielt. Vielleicht ist es auch ein echter Unfall und es ist nur die Liebe gemeint.

Jedenfalls restauriert sich die Verunglückte zu Hause in ihrem oberösterreichischen Nest, knüpft an eine frühere Kochlehre an und steigt auf die Berge, dass die Fetzen glühen. Auch die Nummer acht wird ausgerufen, es ist die Nummer sieben nur einen Grad höher.

Daniela Emminger erzählt verrückt cool in heftigen Elementarsätzen. In jedem Absatz ist eine Weisheit versteckt, eine pädagogische Maßnahme, ein Ausriss aus einer Gefühlsserie. Der Liebesfall wird mit allen möglichen und unmöglichen Gefühlsforensiken ausgeforscht, zwischen einem Blech- und einem Herzschaden ist kein Unterschied, wenn beides im übertragenen Sinn gemeint ist. Und die Autorin ist auch bestens bewandert in der Novellentheorie, wonach alles unerhört wird, wenn es eine Novelle ist.

Obwohl es um Leben und Tod geht und es in der aufgebürsteten Liebe oft nichts zu lachen gibt, ist dieser gemischte Satz eine einzige Fröhlichkeit. Die Sätze sind forsch, gehen immer ein Stück voraus und nehmen Heldin und Leser mit. Das ist frech-emanzipatives Erzählen.

Daniela Emminger, Gemischter Satz. Novelle
Wien: Czernin 2016, 112 Seiten, 18,90 €, ISBN 978-3-7076-0580-6

 

Weiterführende Links:
Czernin Verlag: Daniela Emminger, Gemischter Satz
Wikipedia: Daniela Emminger

 

Helmuth Schönauer, 02-09-2016

Bibliographie

Erscheinungsjahr

2016

Kurzbiographie AutorIn

Daniela Emminger, geb. 1975 in Vöcklabruck, lebt in Wien.