Fritz Schindlecker, Jakob Mustafa

Historische Romane bieten eine gute Gelegenheit mit den Vorfahren zu sprechen, denn wir sind nicht nur durch deren Gene geprägt sondern auch von den Vorurteilen und Glaubensideen der Altvorderen.

Fritz Schindlecker nennt die Abenteuer um seinen Helden Jakob Mustafa schlicht das Vermächtnis des Chronisten, denn letztlich sind nicht nur die Figuren die Hauptdarsteller sondern auch die Erzählmethode, die das Vordringen in den Alltag längst vergangener Tage ermöglicht.

Der Chronist berichtet aus der Zeit von 1680-1717 aus dem Tollener Feld. Die Stadt Tolln und der Ort Leewarn haben gerade die Türkeneinfälle hinter sich und werden nun wieder von Passau aus verwaltet. Nach den Schlachtfeldern sind es vor allem die vielen Vergewaltigungen, die den Bewohnerinnen und Bewohnern zu schaffen machen. Als ein sogenannter Türkenbankert geboren wird, will man ihn gleich beseitigen, aber ein paar großherzige Menschen setzen sich durch und taufen das Kind sogar auf den Namen Jakob, im Volksmund wird es freilich immer Mustafa genannt.

Am flachen Land voller Aberglauben wird der Katechismus mit Waffengewalt gelehrt, um die Geschäfte der Mächtigen durchzusetzen. Obwohl Jakob Mustafa getauft ist, wird er stets als Ausländer geächtet, der mit dem Teufel einen Pakt geschlossen hat. Als er mit acht Jahren in der Ostermette die Passionsgeschichte vorliest, fängt tatsächlich die Bibel zu brennen an, weil sie einer Kerze zu nahe gekommen ist. Mehr braucht es nicht, um Satans- und Gottesbeweis in einem Aufschrei zu erledigen.

Mit Glück und Intelligenz gelingt es Jakob, die Schule zu bestehen und, was am wichtigsten ist, aus der Gegend zu flüchten. In fernen Ländern macht er alsbald Karriere im Stab von Prinz Eugen und überlebt die nachfolgenden Türkenkriege als anerkannter Kriegsstratege. Zu Hause freilich verfällt das Land immer wieder in religiöse Scharmützel, die beweisen, dass der eigentliche Feind immer im eigenen Land sitzt und nicht von außen eindringt.

Fritz Schindleckers historischer Roman liest sich als aufregende Bildungsgeschichte eines Außenseiters, der eigentlich aus Neid geächtet wird, weil er einfach die besseren Ideen hat als das trübe Volk. Ständig wird Theologie auf niedrigstem Niveau diskutiert, wenn es um das Recht auf Taufe oder satanische Erscheinungen geht. Religion zeigt sich als Begleitmusik von Verteilungskämpfen und Machtherrschaft, die Bevölkerung wird dabei bewusst angelogen und dumm gehalten.

Das Wesen des Chronisten schließlich ist der einzig stabile Faktor in diesem Scharmützel, der Chronist ist der einzige, der Sinn, Ruhe und Glaubwürdigkeit in die Geschichte hineinbringen kann. Ein schönes Kompliment für alle historisch aufrechten Seelen.

Fritz Schindlecker, Jakob Mustafa. Das Vermächtnis des Chronisten. Historischer Roman.
Innsbruck: Haymon 2014. (= TB 158). 430 Seiten. EUR 12,95. ISBN 978-3-85218-958-1.

 

Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Fritz Schindlecker, Jakob Mustafa
Wikipedia: Fritz Schindlecker

 

Helmuth Schönauer, 14-10-2014

Bibliographie

AutorIn

Fritz Schindlecker

Buchtitel

Jakob Mustafa. Das Vermächtnis des Chronisten. Historischer Roman

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Haymon Verlag

Reihe

TB 158

Seitenzahl

430

Preis in EUR

12,95

ISBN

978-3-85218-958-1

Kurzbiographie AutorIn

Fritz Schindlecker, geb. 1953 in Tulln, lebt in Langenlebarn.