Henry David Thoreau, Leben ohne Grundsätze

Bei einem echten Amerikaner denken wir meist an einen herumballernden Viehbetreuer, der das Land auf Generationen hinaus vernichtet und sein Glück über T-Bone-Steak definiert. Dass es natürlich immer auch andere Zeitgenossen gegeben hat, die den Schutz der Natur und das Glück mit der Natur im Auge gehabt haben, wird deutlich, wenn man die wichtigsten Essays des Landes liest. Es gibt ja die schöne die Theorie, dass man ein Land nur kennenlernt, wenn man seine Essayisten liest.

Henry David Thoreau gilt als einer der wichtigsten Philosophen Amerikas. Als Anhänger des Transzendentalismus „findet er Gott unter jedem Stein“ (62) und ist ständig in der Natur unterwegs. „Die Länge der Wanderungen entsprach der Länge der Schriften“, heißt es in einem berührenden Nachruf. Thoreau ist zwischendurch auch so etwas wie ein Volksbildner, der seine Thesen in gut gebuchten Referaten zur Diskussion stellt. Dabei verwendet er in der frühen Phase Ausrisse aus dem Tagebuch, erst später verfasst er gesondert Essays und verschriftlichte Vorträge.

Der berühmteste Essay nennt sich Leben ohne Grundsätze. Darin wird mit dem Goldrausch der Menschen abgerechnet und die Frage gestellt, was einen Menschen eigentlich bewegt, aus dem Lebenssinn auszusteigen und überall Löcher zu graben und die Natur samt ihren Lebensmitteln zu vernichten. Während der Müßiggänger verachtet wird und als für das Leben untauglich denunziert wird, gilt der Börsenspekulant, der sein Leben vor Tabellen verbringt, als das Nonplusultra.

In den Zeitungen erfahren wir alles Mögliche über Börse und trickreiche Geschäfte, aber nichts darüber, wie man einen gesitteten Lebensunterhalt bestreitet. So sollte man vielleicht die zentrale Frage immer wieder herausstreichen: Wie sollen wir darüber nachdenken, wie wir unser Leben zubringen.

Henry David Thoreou hat für seine Gedanken sich selbst als oberste Distanz. Er erläutert, was er denkt, nicht was man von ihm erwartet, dass er dächte. Auch dadurch unterscheidet er sich von vielen Auftragsphilosophen, die auch heute noch als Kurzzeitgurus auftreten und jeweils das erzählen, was der Veranstalter gebucht hat.

Besonders seit dem Experiment Walden, wobei der Philosoph eine Zeitlang in einer Blockhütte gelebt hat wie es ihm später Wittgenstein in Norwegen nachgemacht hat, gilt der Autor nicht nur als Kritiker absoluter Phänomene, sondern auch als Zeitkritiker, der mit den Problemen der Zeit mitwächst. So wird dem Naturliebhaber eine Eisenbahn vor die Nase gebaut, er aber wächst mit jeder Lokomotive, die nach Westen stürmt, an seinen Gedanken.

Henry David Thoreau hat in seiner Radikalität der Einfachheit schon allerhand politische Vereinnahmungen überlebt, zuletzt die Grünen, die sich eine Zeitlang auf ihn berufen haben, ehe sie in die moralische Cloud abgehauen sind. - Leben ohne Grundsätze ist eine Alternative zu allen Apps, die vom Leben ablenken.

Henry David Thoreau, Leben ohne Grundsätze. Essay, a. d. Amerikan. von Peter Kleinhempel, mit einem Nachwort von Frank Schäfer. [Orig.: Life without Principle, 1851]
Innsbruck: Limbus Verlag 2017, 84 Seiten, 10,00 €, ISBN 978-3-99039-117-4

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Henry David Thoreau, Leben ohne Grundsätze
Wikipedia: Henry David Thoreau

 

Helmuth Schönauer, 07-11-2017

Bibliographie

AutorIn

Henry David Thoreau

Buchtitel

Leben ohne Grundsätze. Essay

Originaltitel

Life without Principle

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Limbus Verlag

Übersetzung

Peter Kleinhempel

Seitenzahl

84

Preis in EUR

10,00

ISBN

978-3-99039-117-4

Kurzbiographie AutorIn

Henry David Thoreau, 1817-1862, war ein amerikanischer Schriftsteller und Philosoph.