Joachim Gunter Hammer, Tausendundmeine Sonne

Wenn die Gedichte ein Schatz sind, kann das Nachwort höchstens ein Tresor sein, bei dem manche Fächer entsperrt sind.

Joachim Gunter Hammer setzt mit seinen Siebzehnsilbern gleich von Anfang an den Leser unter Druck, aber es ist ein euphorischer Druck, wie wenn man ein Schiff besteigt, einen Kinosaal betritt oder hinter einer Biegung jäh einen Wald betritt. Gleich von der ersten Seite an hämmern diese Dreizeiler auf einen ein wie weiche Regentropfen, die hell auf der Haut aufschlagen und dabei eine Botschaft absetzen.

Im Nachwort schreibt Traude Veran von dieser geheimnisvollen Welt, die ständig neu entsperrt werden muss, weil sich der Zugangscode laufend ändert. Selbst die Vorspann-Zitate von Taifuno und Chao-tse lassen sich nur knacken, indem sie sich nicht googeln lassen. Die beiden „begleiten jedoch Joachim Gunter Hammer seit Jahrzehnten und stellen ihm ihre Motti freundschaftlich zur Verfügung.“ (207)

Vielleicht gibt es so etwas wie ein lyrisches Atom, das aus siebzehn Silben aufgebaut ist, in drei Zeilen funkelt und auf jeden Fall ehrfahrungs-positiv beladen ist. Die Sammlung „Tausendundmeine Sonne“ besteht aus solchen lyrischen Kernspaltungen und Fusionen, dabei wird das Wort Sonne fast Litanei-haft verwendet oder auch als ihr Schatten oder ihre Abwesenheit. Jedenfalls ist die Sonne in allen Versen da.

Durch Abendröte / zieht ein Krähenschwarm, / Baumkronen erwarten ihn. (205)

Die Siebzehnsilber sind zwischendurch wie für ein Gedichtbuch zusammengebündelt und in einem Inhaltsverzeichnis aufbereitet. In Wahrheit greifen diese Teile in einander über und ergeben so etwas wie einen großen Sonnengesang der Biologie.

Sonnenfinsternis gestern / Kleine Fahnenschau / Ein wenig Licht / Taifunos Nachgrollen / Zuhause bei dir / Reißt der Mond einen Stern / Nachtlicht und Tagesdunkel.

Jede Zeile tritt den Beweis an, dass es ohne Sonne nichts gibt. Und auch die eigene Identität lässt sich nur finden, wenn man die persönliche Distanz zu ihr beachtet.
Unter diesem Licht ergeben sich diffuse Verbindungen, die jegliche Kontur verweigern. Und auch die Geschehnisse können innerhalb eines Aufzuckens von Tragik in Komödie wechseln.

Der Nachbar erhängt, / noch schlimmer jetzt seines Nachbarn / Motorschaden? (136)

Das lyrische Ich beobachtet aus dem Hintergrund des Laubs heraus, dämmt die grellen Ereignisse und definiert sich die Tage täglich neu. Die Sonne mag regelmäßig aufgehen, da sein und verschwinden, die von ihr beschienene Welt muss freilich ständig neu aufgepixelt und installiert werden. So sind diese Tage objektiv beschienen und individuell ausgeleuchtet in einem. Das lyrische Ich spielt seine Vorzüge aus, mit dieser Welt zurechtzukommen.

Und wir Leser dürfen teilhaben an dieser Weltgestaltung und uns zwischendurch etwas Licht ins eigene Gesicht fächern, denn es ist viel Licht in den Gedichten Joachim Gunter Hammers.

Joachim Gunter Hammer, Tausendundmeine Sonne. 1000 & 1 Siebzehnsilber, Nachwort von Traude Veran
Wien: Verlagshaus Hernals 2017, 213 Seiten, 22,90 €, ISBN 978-3-902975-43-0

 

Weiterführender Link:
Verlagshaus Hernals: Joachim Gunter Hammer, Tausendundmeine Sonne
Wikipedia: Joachim Gunter Hammer

 

Helmuth Schönauer, 09-10-2017

Bibliographie

AutorIn

Joachim Gunter Hammer

Buchtitel

Tausendundmeine Sonne. 1000 & 1 Siebzehnsilber

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Verlagshaus Hernals

Seitenzahl

213

Preis in EUR

22,90

ISBN

978-3-902975-43-0

Kurzbiographie AutorIn

Joachim Gunter Hammer, geb. 1950 in Graz, lebt Edelstauden.