Ludwig Laher, Kein Schluß geht nicht

Manchmal kann das Infrage-Stellen eines einzigen Satzes ein ganzes Weltbild zum Kippen bringen. Die Behauptung „Kein Schluss geht nicht“, geht auf eine Katzengeschichte Margret Rettichs zurück und bringt damit quasi die gängige Erzähl-Theorie auf den Punkt.

Ludwig Laher testet in seinen Erzählungen und Reflexionen nämlich fixe Behauptungen auf ihren Schwankungsgrad. Wie lange muss ich einen Text zum Schaukeln bringen, dass er kippt? Wie lange muss ich etwas Fixes hinterfragen, bis es mehrdeutig wird?

So wird in der Titelgeschichte, wonach es immer einen Schluss geben muss, das rätselhafte Verhalten eines Kindes und das seltsame Zusammenleben seiner Eltern aufgelöst mit einem finalen Zeitungsbericht, bei einem unerklärlichen Unfall sind drei Menschen ums Leben gekommen.

Für ein Kind freilich tun sich beim Wort Schluss oft ganz andere Wahrnehmungen auf, warum muss es bei einer Bergwanderung immer hinten einen Talschluss geben? In die Erschöpfung nach einer Wanderung mischen sich seltsame Erkenntnisse: Wo ein Berg ist, gibt es auch ein Tal, wenn man mit seiner Müdigkeit an der Grenze ist, kommt der Talschluss.

Immer wieder geht es Ludwig Laher um diese individuellen Einschätzungen der Welt. Ein Ich-Erzähler berichtet von einer privaten Weiche, die er auf einem still gelegten Gelände des Großvaters umstellen durfte. Jetzt wäre dieser Erzähler Herr des Betriebs gewesen, aber leider war die Weiche vom Weltgeschehen abgekoppelt. Und dem Welten-Lauf ist es egal, wie jemand seine privaten Weichen stellt.

Im Gegenteil, manchmal kommt die Welt sogar ins Haus und vernichtet alles, wie es die berührenden Essays über Kriminaleinsätze während der NS-Zeit im steirischen Bezirk Murau zeigen. Unter dem Titel „An einer exponierten Stelle“ bringt Ludwig Laher seine Recherchen zu Tage und stellt sie in einen neuen Zusammenhang mit seinem Romanwerk, das oft von entlegenen, vergessenen und geschundenen Schicksalen handelt.

Diese Erzählungen, Stoff-dicht wie ein Roman, lassen sich vielleicht in drei Themenkreise zusammenfassen: Das Kind, das Sprache und Welt in individuellen Aufgabenstellungen lernt, die Auswirkungen von Ideologien auf den Einzelnen und die Kunst als Aufbruch zur Erkenntnis. Darin sind Porträts enthalten über den Musiker Jack Grunsky, über Franz Innerhofers ungestüme Beziehung zu seiner unmittelbaren Umgebung oder zum Kilo-preis eines Textes von Erich Hackl.

Den Schluss-Punkt setzt ein Gedicht über jene Haydn-Symphonie, worin die Musiker während des Stücks aus der Komposition verschwinden. Dieses aufgelöste Haydn-Gedicht beendet eine Sammlung, die über Jahre von sorgfältigen Recherchen, geduldigen Kompositionen und unerwarteten Erzählstrukturen getragen ist. - Eine dicht zusammen gewobene Welt aus scheinbar nicht verknüpften Einzelteilen.

Ludwig Laher, Kein Schluß geht nicht. Erzähltes und Reflektiertes.
Innsbruck: Haymon 2012. 225 Seiten. EUR 22,90. ISBN 978-3-7099-7007-2.

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Ludwig Laher, Kein Schluß geht nicht
Wikipedia: Ludwig Laher

 

Helmuth Schönauer, 15-11-2012

Bibliographie

AutorIn

Ludwig Laher

Buchtitel

Kein Schluß geht nicht. Erzähltes und Reflektiertes

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Haymon-Verlag

Seitenzahl

225

Preis in EUR

22,90

ISBN

978-3-7099-7007-2

Kurzbiographie AutorIn

Ludwig Laher, geb. 1955 in Linz, lebt in St.Pantaleon.