Luis Stefan Stecher, Vorübergehend Bild, zu ebner Erde wohnend

Poesie entsteht nicht im Augenblick des Schwärmens sondern in der Disziplin über Jahrzehnte. Diese poetische Einschätzung gilt für Luis Stefan Stecher, für dessen fünfundsiebzigsten Geburtstag der Folio-Verlag eine mustergültige Sonett-Sammlung zusammengetragen hat. In zwölf Zyklen zu je zwölf Sonetten eröffnet sich somit die lyrische Welt des Jubilars.

Wie mannigfaltig konzentrisch die Motive komponiert sind, lässt sich am besten darstellen, wenn man die Themen der einzelnen Bildkreise ins Auge fasst. Reisebilder, Kindheitsbilder, Landschaftsbilder, Liebesbilder, Menschenbilder, Kunstbilder, Vexierbilder, Lebensbilder, Krankenbilder, Andachtsbilder, Weltbilder, Zeitbilder.

Draußen, wo die Mole endet, / fällt vom lecken Schiff die Leine, / scharrt der Kiel am Ufersand. // Und mein Herz so unvollendet, / so, als wär es nicht das meine, / geht zurück an Land. (11)

Dieses unruhige lyrische Herz schlägt sich durch aufregende Gegenden, wagt sich an Klippen des Daseins heran und beobachtet sich auch im Geflute der biographischen Gezeiten.

Wo gestern noch das Knabenkraut / blüht heut die Herbstzeitlose. / Dazwischen liegt, so seltsam laut, / die Kinderzeit, die große. (23)

Manchmal löst ein einzelner Begriff ein völlig unerwartetes Bedeutungsfeld aus, wenn etwa ein Pleitefeld (88) über die Bankenlandschaft gespannt ist wie über eine sieche Landschaft, oder eine Fee Morgana (13) Märchen und Vision in einander fließen lässt.

Lapidar hingeschrieben ist ein Kapitel überschrieben, worin die einfachen Dinge quer durch die Zeit gerettet werden wie eine kostbare Liebe.

Heute kommst du mit dem Achtuhrzug / wie damals vor Jahrzehnten. / Wir hatten an Weite nie genug, / an Weite, die wir ersehnten. (54)


Je zaghafter das lyrische Ich seine Hand in den Sog der Zeit hält, umso heftiger gebietet diese Hand diesem ungebremsten Fortgang des Lebens Einhalt, aber es ist kein verzagendes Aufhalten dieser Bilder, sondern ein gelassenes, bereits vom Hauch der Ewigkeit getragen.

Frau Ewigkeit hat keine Zeit / […] / Aus diesem Erdrest Farben reiben / für Bilder als bleibenden Ort, / bis hin zur Bilderbleiche. // Frau Ewigkeit haucht hinter Scheiben / nur ab und zu vielleicht ein Wort / verschlüsselter Bereiche. (162)

So sind die Sonette Luis Stefan Stechers vielleicht weniger geschrieben als gemalt, als vorübergehende Bilder, auf Augenhöhe mit der Erde, woraus die Farben gerieben sind. - Zeitlos.

Luis Stefan Stecher, Vorübergehend Bild, zu ebner Erde wohnend. Sonette.
Wien, Bozen: folio 2012. 162 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-85256-606-1.

 

Weiterführende Links:
Folio-Verlag: Luis Stefan Stecher, Vorübergehend Bild, zu ebner Erde wohnend
Wikipedia: Luis Stefan Stecher

 

Helmuth Schönauer, 05-12-2012

Bibliographie

AutorIn

Luis Stefan Stecher

Buchtitel

Vorübergehend Bild, zu ebner Erde wohnend. Sonette

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Folio-Verlag

Seitenzahl

162

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85256-606-1

Kurzbiographie AutorIn

Luis Stefan Stecher, geb. 1937 in Laas, lebt in Marling.