Marie-Thérèse Kerschbaumer, Res publica

Ab und zu tauchen sie jäh auf, diese Bücher, die aus der Zeit gefallen sind. Sie lösen ungeheure Überraschung aus in einer genormten Bücherwelt und zeigen, wie sich der sogenannte Zeitgeist letztlich in einer riesigen Gedankan-Flaute selbst still legt.

Marie-Thérèse Kerschbaumer eröffnet mit ihrer „Res publica“ gar eine eigene Reihe, die Ultramarin-Reihe im Wieser Verlag. Als Vorspann erklärt sie, wie es zu diesem edlen Namen gekommen ist.

Zuerst will man zu den Wortfeldern Warnruf, Weitblick oder Besichtigung etwas zeitlos Lateinisches, doch dann schlägt die Komponente von zwei Farben, die etwas Neues ergeben, sofort in die richtige semantische Kerbe: Ultramarin ist eine zeitlose Farbe und zu manchen Zeiten wertvoller als Gold.

Als Eröffnung der Reihe nimmt sich Marie-Thérèse Kerschbaumer etwas schier Ausgestorbenes vor. Sie rezensiert Heinz Gunermanns Neuübersetzung von Ciceros „Brutus“ aus dem Jahre 2012 (Reclam UB 18825). Das Buch interessiert sie als Philologin, weil darin die aussterbende Redekunst analysiert und für die jeweilige Gegenwart aktualisiert wird, und als politische Schriftstellerin, die um die Verknüpfung von Wort und Tat weiß.

So eine zweisprachige Ausgabe (lateinisch/deutsch) müsste man unbedingt mit Gerhard Kofler besprechen, gedenkt die Autorin des 2005 verstorbenen Südtiroler Autors und nennt ihn einen Römer, der gebildet durch die Zeitläufe geht.

Die Autorin beruft sich noch auf zwei verstorbene Autorinnen der Grazer Autorenversammlung, die sie politisch bei der Lektüre  von Cicero begleiten, auf Heidi Pataki, die ihr Schreiben als politische Antwort verstanden hat, und Elfriede Gerstl mit ihrem leuchtenden Diktum: „Alles, was sich sagen lässt, lässt sich auch einfach sagen“.

Dieses fiktive Gespräch mit gerade verstorbenen Autorinnen korrespondiert mit den Teilnehmern an einem fiktiven Gespräch, das Cicero mit Brutus und Konsorten gehalten hat. Dabei vermengen sich Gedankengänge zur Gegenwart mit jenen zur Originalzeit etwa 44 v.Z.

Letztlich stellt sich heraus, dass die Schlüsselwörter des politischen Handelns und Redens über Jahrtausende gleich geblieben sind. Rettung, Zukunft, Vernunft etwa, wiewohl sie in den gegenwärtigen Reden kaum in dieser Fügung vorkommen.

Um das Brutus Gerüst herum (Prooemium / Gespräch über Geschichte und Theorie der griechischen Beredsamkeit / Gespräch über die römische Beredsamkeit / Finale) lässt die Rezensentin ihren Gedanken freien Lauf, die sie oft als Exkurse, Abschweifungen und Seiten-Notizen ablegt. Diese Einträge beziehen sich auf Cicero und seinen Übersetzer Gunermann gleichermaßen.

Im Anhang kommen die aktuellen Politiker Blair, Clinton, Sarkosy und Napolitano auf den rhetorische Seziertisch und werden nach der Cicero-Methode analysiert.
Rezension und Neuübersetzung des Brutus gehen schließlich so ineinander über, dass daraus in ultramariner Weise ein neues „öffentliches“ Kunstwerk entsteht.

Marie-Thérèse Kerschbaumer, Res publica – Über die öffentliche Rede in der Republik.
Klagenfurt: Wieser 2014. (Die Ultramarin-Reihe). 55 Seiten. EUR 15,-. ISBN 978-33-99029-119-1.

 

Weiterführende Links:
Wieser Verlag: Marie-Thérèse Kerschbaumer, Res publica
Wikipedia: Marie-Thérèse Kerschbaumer

 

Helmuth Schönauer, 31-07-2014

Bibliographie

AutorIn

Marie-Thérèse Kerschbaumer

Buchtitel

Res publica – Über die öffentliche Rede in der Republik

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Wieser Verlag

Seitenzahl

55

Preis in EUR

15

ISBN

978-33-99029-119-1

Kurzbiographie AutorIn

Marie-Thérèse Kerschbaumer, geb. 1936 nahe Paris, Lehrjahre in Tirol, lebt in Wien.