Markus Koschuh, Voulez-vous Koschuh avec moi?

Seit Markus Koschuh ein abendfüllendes und staatstragendes Stück über das Unwesen der Tiroler Agrargemeinschaften geschrieben hat, wirken auch seinen kürzeren Texte aus der Tiefe des Alltags wie verbotene Spikes in einem scharf gewuchteten Reifen.

Markus Koschuh nimmt für seine literarischen Piecen immer ein Stück Wirklichkeit, klaubt diese vom sumpfigen Boden der Medien auf und wirft sie wie ein Hölzchen durch die Luft. Manchmal saust diesem Stück Wirklichkeit das Publikum wie ein Hund auf der Wahrheitssuche hinterher, manchmal fällt so ein Stück Literatur einfach wieder zurück in den Morast des Alltags und versinkt.

In den 43 Texten geht es um ritualisierte Meinungsforschung ohne Meinung, um grandiose Geschäftsideen, wonach Tiroler Instant-Krippelen in die ganze Welt verschickt werden oder um einen Innsbrucker Fremdenführer, der sich selbst die rätselhaften Monumente der Stadt nicht erklären kann. Warum hat Innsbruck keinen Stephansdom, lautet die touristisch korrekte Frage.

Selbstverständlich kommt auch das beobachtende Ich oft an jene Grenze, von der aus man gut den Wahnsinn beobachten kann. So löst das sogenannte G-Wort regelmäßig semantische Attacken im Kopf des Sprachanwenders aus, beim G-Wort handelt es sich nämlich um das sogenannte Gurkerl. Und man kann in diesem Land nichts bestellen, ohne dass man nicht nach dem Gurkerl gefragt würde.

Von solchen Aufregungen gezeichnet ist das Ich bereits so müde, dass es nicht mehr einschlafen kann und verharrt daher im Beobachtungskoma.
In einer literarischen Abteilung werden die Tiroler Slam-Künstler der literarischen Vereinigung „Text ohne Reiter“ gewürdigt, die Schriftsteller Martin Fritz, Stefan Abermann und Robert Prosser kriegen jeweils einen Daseins-Blues in Gestalt eines poetischen Porträts. Der Weltuntergang im Maya-Kalender betrifft hingegen Tirol kaum, weil das Land von internationalen Gerüchten und Strömungen gut abgeschirmt ist.

„Warum ich Südtirol nicht mag“ (30) handelt von der seltsamen Eigenschaft der Sydis, dass sie das Füllwort „magari“ an allen möglichen und unmöglichen Stellen im Satz einbauen, während sie patriotisch der deutschen Sprache huldigen. Der Erzähler hat außerdem eine ungebremste Südtirol-Allergie, weil er als Kind bei jeder Gelegenheit zu den Sydis hineingeschleppt worden ist. Je „rotweinischer“ sich die Erwachsenen auf diesen Tröttele-Touren gebärden, umso nüchterner wird dabei ein Kind.

Markus Koschuhs Panoptikum durch die schrägen Ereignisse des Landes zeigt überraschende Charakterzüge der Patrioten auf, die sich oft noch mitten in der Zeremonie in Luft auflösen. – Ein witziger Spiegel für die tägliche Frisur der Tiroler.

Markus Koschuh, Voulez-vous Koschuh avec moi?
Innsbruck, Wien: Haymon 2012. ( = Haymon TB 129). 120 Seiten. EUR 10,-. ISBN 978-3-85218-929-1.

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Markus Koschuh, Voulez-vous Koschuh avec moi?
Homepage: Markus Koschuh

 

Helmuth Schönauer, 13-12-2012

TIROLER GEGENWARTSLITERATUR 1480

Bibliographie

AutorIn

Markus Koschuh

Buchtitel

Voulez-vous Koschuh avec moi?

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Haymon-Verlag

Seitenzahl

120

Preis in EUR

10

ISBN

978-3-85218-929-1

Kurzbiographie AutorIn

Markus Koschuh, geb. 1977, ist Schriftsteller und Kabarettist in Innsbruck.