Peter Paul Wiplinger, Schattenzeit

In ihren vagen Ausmaßen ist die Schattenzeit etwas, was sich über Herbst und Winter erstrecken kann, im Lebenslauf ist die Schattenzeit eine breite Linie, an der wie bei Joseph Conrad das Bewusstsein in einen anderen Zustand umschlägt.

Peter Paul Wiplinger nähert sich in seinen Gedichten „Schattenzeit“ diesem Jahrzehnt 2000-2010, das in manchen Jahren zur Verdunklung neigt, während die Gesellschaft sich für verkürzte Sonnenstände entschieden hat. Die Aufgabe der Lyrik ist es dabei, dieser Welt eine Gegenwelt entgegenzusetzen. Quasi als Programm mag das Gedicht „Gegenwelt“ gelten, worin mit der Beschwörungsformel einer Litanei der Gewalt, den Schönrednern, den Fanatikern eine handfeste Welt der Poesie und des politischen Handelns entgegen gesetzt wird.

In die Kerbe der politischen Poesie schlägt vielleicht auch jenes Warte-Gedicht aus Warschau, worin ein lyrisches Ich noch viel Zeit am Bahnhof hat. Da geht das lyrische Ich diese ganze Geschichte der Deutschen in Polen aus, voller Demut und Verzweiflung „grast“ es vom Bahnhof hinaus in der Zeitlosigkeit der Gegenwart.
Die Erinnerung an die Schriftstellerin Elfriede Gerstl stößt auf diese makaber-genaue Zeile:

Eine Gemeindewohnung / hast Du nicht bekommen, / dafür jetzt ein Ehrengrab / am Zentralfriedhof in Wien / [...] (17)

Ein weit ausladender Zyklus ist mit Ausblicke überschrieben, darin schaut jemand flüchtig aus dem Zugfenster in einen Hinterhof Warschaus, ein kurzes Aufblenden der poetischen Registrierung zeigt Irland oder das Mühlviertel, die einzelnen Augenaufschläge auf die Landschaft sind ähnlich und dennoch unverwechselbar herb wie Irland unterwandert vom Blick auf das Mühlviertel einer fernen Kindheit.
Manche Gedichte rollen die Zeit als kurze Sequenz einer bestimmten Tageszeit aus, wenn das Licht gerade umstellt und die Dunkelheit schon zu erahnen ist.

BEWUSSTSEIN // was du jetzt nicht siehst / das wirst du nie mehr sehen // nicht dieses morgenlicht / wenn du noch weiterschläfst // nicht die kreisende möwe / im ersten himmelsblau // nicht den alten müden mann / der täglich über die piazza geht // nicht die streundende katze / inmitten antiken gesteins // die zeit ist vorgerückt / für dich das weißt du // schmerzhaft traurig / wird der abschied sein (54)

Oft werden die Bilder richtig in die Hand genommen, mit einem festen Griff, der ein Abschied, ist gedreht, und im Loslassen ist es schon Herbst geworden.

HAUS IM HERBST // das laub ist rot / gelb oder braun // die fensterläden sind geschlossen // es ist niemand / mehr da (87)

Peter Paul Wiplingers Gedichte erzählen von einem Kampf im Jahreskreislauf, der gewonnen ist, wenn die letzten Dinge im Schatten verschwunden sin.

Peter Paul Wiplinger, Schattenzeit. Gedichte 2000-2010.
Gosau: Arovell 2013.132 Seiten. EUR 12,90. ISBN 978-3-902808-46-2.

 

Weiterführender Link:
Arovell-Verlag: Peter Paul Wiplinger, Schattenzeit
Wikipedia: Peter Paul Wiplinger

 

Helmuth Schönauer, 07-04-2013

Bibliographie

AutorIn

Peter Paul Wiplinger

Buchtitel

Schattenzeit. Gedichte 2000-2010

Erscheinungsort

Gosau

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Arovell

Seitenzahl

132

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-902808-46-2

Kurzbiographie AutorIn

Peter Paul Wiplinger, geb. 1939 in Haslach, Gymnasium in Hall in Tirol, lebt in Wien.

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