Sepp Kahn, Drei Bauern auf Wallfahrt

Seit im Tourismus das Gelände im Winter als Loipen genützt und im Sommer als Jakobsweg betrampelt wird, ist auch das Wallfahrtswesen in Tirol wieder in Schwung gekommen.

Sepp Kahn fasst sich als Erzähler ein Herz und marschiert mit seinen Kollegen, zwei gestandenen Altbauern, von denen nur einer Sepp heißt, von Itter nach Georgenberg. Von Anfang an ist klar, hier werden die erwanderten Bilder ironisch gedeutet und aufgezeichnet, die Haltung wird nie in Frage gestellt, selbst der größte Scheiß ist zwar von Menschenhand gemacht, dient aber zur Verehrung eines höheren Tiroler-Sinns.

So gleicht die erzählte Wanderung einem Spätstück des Fontane, der ja auch erst zu einer Zeit mit den Wanderungen begonnen hat, als sich die meisten schon ins Grab gelegt hatten.

Auf dem Seniorentripp Sepp Kahns wird zuerst einmal über Ausrüstung und die Frauen zu Hause gewitzelt, wer hat was im Rucksack und wem hat die Alte was Unsinniges versteckt. Aber aus den Altherren-Posen trieft doch Bewunderung für die Frauen, die alten Heudeppen haben einfach keine bessere Sprache für manches, was in Ordnung ist.

Nächstes Staunen: die Landschaft schaut ohne Katastrophe ganz anders aus, die drei sind nämlich auch bei der Feuerwehr und kennen das Land nur von Vermurungen und Verklausungen.

Überraschung: Das ganze Land ist vollgeschissen mit Beton, überall gibt es Straßen, nur für zu Fuß gibt es nichts, das gilt als eine ausgestorbene Technik der Fortbewegung.

Einen ersten Höhepunkt stellt die Traktorenfabrik Lindner in Kundl dar. Wiewohl daneben in der Bio-Chemie Materialien für Medikamente und Kampfgas für den Weltmarkt hergestellt werden, sind es doch die Traktoren, die Heimat und Lebenssinn vermitteln, wenn man sich knapp an der Kipp-Grenze mit ihnen in die Höhe jagen lässt.

Der geplante Orgasmus Rotholz, worin die landwirtschaftliche Lehranstalt implementiert ist, muss ausfallen, weil die Helden mittlerweile auf die Bahn umgestiegen sind und vor lauter Ticket-Automaten nichts mehr in den Kopf hineinbekommen.

Durch die gesperrte Wolfsschlucht gelingt dann der Aufstieg nach Georgenberg, wo echtes Wallen angesagt ist in Form von Duschen, Essen und Kartenspielen.

Auf der Heimfahrt gibt es nicht mehr viel zu sehen, weil erstens das Land nichts mehr hergibt, und zweitens der gute Wallfahrer alles bei der Anreise erledigt. Ein paar Zweizeiler werden dann noch wie Votivtafeln dem Buch angefügt.

Sepp Kahn hat sich jahrzehntelang als fröhlicher Almseppl festgeschrieben, jetzt geht ihm allmählich der Horizont aus, so universell ist seine Literatur geworden.

Sepp Kahn, Drei Bauern auf Wallfahrt und andere Kurzgeschichten
Wattens: Berenkamp Verlag 2016, 119 Seiten, 16,50 €, ISBN 978-3-85093-344-5

 

Weiterführende Links:
Berenkamp-Verlag: Sepp Kahn, Drei Bauern auf Wallfahrt
Wikipedia: Sepp Kahn

 

Helmuth Schönauer, 12-07-2016

Bibliographie

AutorIn

Sepp Kahn

Buchtitel

Drei Bauern auf Wallfahrt und andere Kurzgeschichten

Erscheinungsort

Wattens

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Berenkamp Verlag

Seitenzahl

119

Preis in EUR

16,50

ISBN

978-3-85093-344-5

Kurzbiographie AutorIn

Sepp Kahn, geb. 1952 in Hopfgarten, ist Bauer und Autor in Itter.