Sepp Mall, Schläft ein Lied

Was bleibt an Nachbildern, wenn man schnell die Augen vor der Realität verschließt? - Es bleibt die Kindheit, der Acker, auf dem sich Pflanzen und Kinder tummeln, die Stube, die die Jahreszeiten hinaus sperrt, es bleiben zwei drei Schafe, die unvermittelt auf der Schreibtischplatte auftauchen.

Sepp Mall braucht wie ein genialer Musiker nur zwei drei Handgriffe, um mit  unverwechselbaren Riffs seine Lyrik zum Klingen zu bringen.

Unsere Väter / hinterm Haus warn jung / und ein kurzer Schlag hinter die Ohren / genügt / Sie lachtn laut / stießen den Rauch /durch die Nase / und spannten die blutnassen Felle / auf Rahmen aus Holz [...] (8).

In dieser Szene einer Schlachtung vermischen sich die Generationen, das Hauptthema tritt zurück für eine Unbekümmertheit, die zur „Wiederbelebung der Tiere“ führt. „Wir hatten keine Ahnung von nichts“ (27) heißt es später einmal und es wird jener Zustand beschrieben, wo die Bilder der Kindheit in einer eigenen Galerie der Erinnerung hängen ohne jeden Katalog mit Querverweisen zur Realität.

Aus den aktuellen Gedichten Sepp Malls stechen zwei beinahe musikalische Elemente hervor, einmal ist es diese längst berühmte Mallsche Pausensetzung, indem zusätzlich zur Zeilengestaltung immer wieder ein Schrägstrich (Slash) gesetzt wird, zum anderen ist es dieses Dialekt nahte Verschließen der Endungen (lachtn, warn), was auch den gedruckten Zeilen den Slang einer mündlichen Realisierung einimpft.

Die dreißig Gedichte werden von fünf Kapitelüberschriften beschirmt, welche auch gleich die Themen abstecken: Landschaftn Vergangenheitshaufen / Sonnenlicht /In Brandung stehn / Schläft ein Lied / Aufzählungen nützn nichts.

Die jeweiligen Motive schauen unabhängig von dieser Gliederung oft bei jedem zweiten Gedicht vorbei, das Thema einer sinnlosen Aufzählung tritt dabei in den Vordergrund, einmal wird diese Aufzählung sogar zu einer Litanei und erstreckt sich über knapp zwanzig Seiten über die Seelen der Ichs und Dus und schlängelt sich dabei durchs Alphabet.

Die Tiere, die zwischendurch hinterm Haus geschlachtet worden sind, tauchen dann als lieblicher Alptraum mitten am Schreibtisch auf, plötzlich stehen sie da, zwei Schafe auf der Schreibplatte. Und nicht genug damit, im nächsten Gedicht stehen drei Schafe da, wie hingegossen auf die Schreibfläche.

Im Schlussgedicht wird als Coda noch alles zusammengefügt:

Aufzählungen nützn nichts // Auch die Tiere fliehn jetzt / aus den Gedichten / (verlassn das sinkende Schiff) / auf / den papiernen Planken / verblasst rasch ihr Tritt […] (75).

Sepp Malls Gedichte sind unverwechselbar, sie sprechen mitten ins Herz hinein, tragen einen kurzen Schweif an Romantik mit sich, deuten die Welt als Nachbild, misstrauen der Sprache und den Wortklaubern und laden ein in zu einer augenzwinkernden  Zuversicht. - Eben „ein Büschel Zeitlosen“. (45)

Sepp Mall, Schläft ein Lied. Gedichte.
Innsbruck: Haymon 2014. 75 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-7099-7142-0.

 

Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Sepp Mall, Schläft ein Lied
Wikipedia: Sepp Mall

 

Helmuth Schönauer, 31-07-2014

Bibliographie

AutorIn

Sepp Mall

Buchtitel

Schläft ein Lied. Gedichte

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Haymon Verlag

Seitenzahl

75

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-7099-7142-0

Kurzbiographie AutorIn

Sepp Mall, geb. 1955 in Graun, lebt in Meran.