Simon Konttas, Das letzte Bild

Wenn man das letzte Bild von jemandem im Album hat, hat man dann sein ganzes Leben vor Augen?

Simon Konttas widmet sich in seiner Studie über eine empfindsame Männerseele dem sogenannten letzten Bild. Da es sich beim Protagonisten um einen nebenseitig tätigen Maler handelt, könnte es sich um dessen letztes Bild handeln. Andererseits geht der Held elendiglich zugrunde mit einem letzten Bild vor Augen. Und schließlich lässt sich rätseln, welches letzte Bild vom „Roman“ beim Leser haften bleibt.

Vermutlich das stärkste Bild ist das erste, worin der Held Siegfried Weiß einen alten Mann sieht, der sein Beatmungsgerät hinter sich herzieht. Das Leben als Sauerstoffspender ausgelagert hinter sich herzuziehen ist wohl etwas vom Tiefsinnigsten, was sich als Stoff für Suchende darbietet.

Der Held Siegfried ist Gymnasiallehrer und nebenher Bruder in einem Orden. Sein Bruder Gerhard ist beim gleichen Orden, aber als Vollerwerbspriester. Zusammen führen sie ihre alte Mutter aus und in den Dom, das Leben scheint religiös verwurzelt und gehaltvoll zu sein. Das ist freilich die Stufe des Spätwerkes, wo alles schon seinen Lauf genommen hat. Früher einmal hat der Held so etwas wie Hormone im Leib gehabt und ein heftiges Verhältnis zu einem jungen Mädchen gepflegt. Jetzt sagt jemand so nebenher, dass er gerade an einem Nutten-Report arbeite und das Mädchen von damals darin vorkommt.

Siegfried denkt in Endlosschleifen, immer wieder tauchen die gleichen Bilder auf und es gibt nur ein Mittel gegen sie: sie in leerer Landschaft zu Ende zu denken. So begibt er sich als Lehrer, der eigentlich Sommerferien hat, immer wieder hinaus vor die Stadt, wo in einem entleerten Dorf ein entleertes Internat einen leeren Lebenssinn widerspiegelt. In diesen Rahmen lassen sich oft Bilder aus dem Unterreicht einspannen und dann kommt es regelmäßig zu jener Situation, wo Siegfried dann doch nicht Maler geworden ist.

Professor, zeigen Sie uns Ihre Bilder! (68)

Die Abrechnung mit der Kunst hat Siegfried verstaut in Schachteln voller Zeitungsausrisse und Entwürfe für das Kontern falscher Vorwürfe. In manchen Stunden wühlt er darin und gerät in einen gedanklichen Kreislaufkollaps.

Aber auch die Welt der Erotik lässt sich nur mit Erinnerungs-Leerfahrten im Zaume behalten. Alle Kreisverkehre im Süden der Großstadt, alle Landschaftsfragmente, die Kreuzungen, Cafés und Eisdielen sind voll von den Ausflügen mit dem Mädchen damals.

In diesen Wirrwarr setzt offensichtlich ein Verkehrsunfall einen scharfen Schnitt. Siegfried wird an der Bundesstraße überfahren und so zerlegt, dass er gerade noch identifiziert werden kann. Ein früherer Freund übernimmt das Totenzeremoniell „nach erfolgtem Tod“ (115), wie sie es einst ausgemacht haben.

Simon Konttas erzählt in psychologisch aufgewühlten Furchen von einem Menschen, „dem auf dieser Welt wohl nicht zu helfen war“, wie es in der Romantik über die Künstler so schön heißt. Das religiöse Pferd, auf das der Held setzt, bringt ihn jedenfalls nicht weiter. Das Publikum starrt andächtig auf das Ölbild, das im Selbstporträt den Verblichenen zeigen soll. – Das letzte Bild.

Simon Konttas, Das letzte Bild. Eine Studie
Klagenfurt: Kitab Verlag 2016, 119 Seiten, 16,00 €, ISBN 978-3-902878-68-7

 

Weiterführende Links:
Kitab Verlag: Simon Konttas, Das letzte Bild
Österreichische Gesellschaft für Literatur: Simon Kontas

 

Helmuth Schönauer, 04-05-2016

Bibliographie

AutorIn

Simon Konttas

Buchtitel

Das letzte Bild. Eine Studie

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Kitab Verlag

Seitenzahl

119

Preis in EUR

16,00

ISBN

978-3-902878-68-7

Kurzbiographie AutorIn

Simon Konttas, geb. 1984 in Helsinki, lebt in Wien und Baden.