Stephan Eibel Erzberg, unter einem himmel

Die idealen Gedichte verklären den Alltag durch Aufklärung und können deshalb unauffällig und ungespreizt auftreten.

Stephan Eibel Erzberg ist der Meister dieser Alltagsgedichte, die mitten am Vormittag aufwachen und mit spielerischer Arglist nachfragen, was eigentlich los ist. In der Sammlung „unter einem himmel“ stellen sich diese Nach-Fragen im dramatischen Viererschritt Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Verschmitzt hat der Autor in einem Interview einmal geantwortet, er sei eben hellwacher Autor für jede Jahreszeit.

Die Formen dieser politischen Lustgedichte reichen vom Kinderreim, dem Kalenderspruch, dem Blues, dem lyrischen Polizeibericht bis hin zu gereimten Träumen.

träumen // von der zukunft / von der zukunft wiens / zubetoniert jeder rasen / kinderlungen aufgeblasen / mit braunen auspuffgasen) (131)

Manche Gedichte sind so gebrauchsfertig, dass sie sich wie ein pfiffiger Witz nacherzählen lassen. Eine ganze Serie halbschräger Typen aus der Politik wird mit dem Zauberwort „Unschuldsvermuteter“ im Stile einer Litanei heruntergebetet. Nur der Letzte in dieser Kette, ein gewisser Schüssel, hat nicht einmal mehr den Heiligenschein eines Unschuldsvermuteten. (123)

Ein scheinbar sorgloses Zappen nach schönen Bildern, wie man früher vielleicht in einem Urlaubskatalog geblättert hat, bringt im Wüstensand einen Kriegsschauplatz nach dem anderen auf den Bildschirm, die diffuse Pracht aus Sand und Elend endet mit Asyl.

ganz ehrlich: einheimische sind gefährlich (116)

Der augenzwinkernde Patriot, der den Habitus eines Renaissance-Künstlers annimmt, wenn er sich nach seinem Heimatort Erzberg nennt, weiß auch der Steiermark ein Denkmal zu setzen, das in Sekundenschnelle ausgeklappt und vorgetragen werden kann.

steiermark // gehemmt bin ich / im hemd bin ich / ein messer in der hand (62)

Das titelgebende Gedicht „unter einem himmel“ ist ein Liebesgedicht, worin das lyrische Ich in die Augen des Gegenübers schaut, so lange es da ist, und in den Himmel, wenn es weg ist und sich in Sterne verwandelt hat wie in einem Kinderbuch. (53)

Stephan Eibel gilt als der echteste Beatnik Österreichs, bei ihm tritt das reziproke Wunder auf, dass er umso wilder wird, je sanfter er dichtet. In einem gedichteten Lebenslauf erklärt er dieses Phänomen. Wofür es sich zu sterben lohnt, - als Jugendlicher für Sex, später für Ideen, die Karriere, die Kinder, in den fünfziger und sechziger Jahren des eigenen Lebens für nix, später fürs Leben. So ist es nur logisch, dass der Mythos der Route 66 in eine österreichische Verkehrsmeldung übergeht, wonach auf einer Pimperl-Straße ein LKW umgefallen sei. So groß kann der Alltag werden, wenn man ihn klug besingt.

In seinem Nachwort beschreibt Franz Schuh diese Gedichte mit dem größten Kompliment, das einem Gedicht widerfahren kann: „elegante Selbstverständlichkeit“.

Stephan Eibel Erzberg, unter einem himmel. Gedichte, mit einem Nachwort von Franz Schuh
Innsbruck: Limbus Verlag 2016, 141 Seiten, 10,00 €, ISBN 978-3-99039-089-4

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Stephan Eibel Erzberg, unter einem himmel
Wikipedia: Stephan Eibel Erzberg

 

Helmuth Schönauer, 20-09-2016

Bibliographie

AutorIn

Stephan Eibel Erzberg

Buchtitel

unter einem himmel. Gedichte

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

141

Preis in EUR

10,00

ISBN

978-3-99039-089-4

Kurzbiographie AutorIn

Stephan Eibel Erzberg, geb. 1953 in Eisenerz, lebt in Wien.