Victor Tiefenbrunner, Sportcafé

Manche Institutionen entfalten erst dann ihre wahre Größe, wenn sie physisch devastiert und psychisch verdrängt sind.

Auf Victor Tiefenbrunners Story-Pinnwand „Sportcafé“ verrotten und vergilben die Geschichten bereits oder sind gar wie viele ihrer Helden schon unter der Erde. Aber kaum schlägt jemand einen Erinnerungston an, braust schon die ganze Symphonie eines niedergerungenen Trinkorchesters los.

Dabei handelt die Titelgebende Story von der Demontage des Sportcafés. In das abgefackte Lokal kommt eines Tages Max und erklärt am Spielautomaten die Wahrscheinlichkeitsrechnung. Freilich lassen sich solche Rechnungen nur schwer für das eigene Glück umpolen. Als die Chefin stirbt, wird das Sportcafé cool und aufgeräumt geschlossen, wie man vielleicht nach einer Schlacht vom Gelände geht.

In den weiteren Geschichten liefert das Café immer die Bühne für extrovertierte Typen, die das Leben täglich ein paar Stunden lang zu ungeahnten Erzählhöhen hinaufschrauben, ehe sie dann wieder vom Dübel des Alltags festgefressen werden.

So bittet ein psychischer Grenzgänger den Bundespräsidenten letztlich um Nachsicht für seine Suizidversuche, ein Texter wird vor dem Auftritt einer Band dazu gezwungen, unter starken Halluzinationen die noch fehlenden Texte für das Konzert abzuliefern, ein Spezialist für weißes Pulver kommt aus der Sucht nicht mehr los, so sehr er sich auch bemüht, sich selbst und das Publikum mit jenseitigen Geschichten von den Drogen abzulenken.

Ein Verschnitt aus Robin Hood und Robinson Crusoe zwingt den Lehrer nach einer durchzechten Nacht dazu, die Schule zu schwänzen und am Inn den Grill des Lebens anzuwerfen, ein Stalingrad-Veteran fühlt sich als letzter Überlebender und gibt noch ein Interview, das dem Historiker am Aufnahmegerät die Gänsehaut über den Rücken jagt, sein „värr-nich-tänn!“ zerreißt beinahe das Tonbandgerät.

Als der Wirt die Sperrstunde tatsächlich durchzieht, setzt sich ein Trupp von Trink-Nimmersatten in den Wagen und fährt zum Baden nach Spanien. Sie kommen freilich nicht weit, zuerst rammen sie eine Leitschiene, dann hat am Brenner einer den Pass des Vaters mit und muss zurückbleiben. Die anderen verfahren sich, und kommen ans falsche Meer an die Adria, wo sie umdrehen, um rechtzeitig zum Aufsperren des Sportcafés wieder in Zirl zu sein.

Zirl mausert sich in diesen Geschichten zu einem Welt-Ort heraus, in dem die witzigsten Schicksale, die gebrochensten Herzen und die abgeschremmtesten Psychen täglich ihr Getränk mit Tapferkeit hinunterzischen lassen.

Victor Tiefenbrunner erzählt Balladen voller Blues, die keine Jahreszeit kennen und Nacht für Nacht den Tresen hinunterrinnen, das Dorf überschwemmen und auch am Inn finden diese Geschichten kein Ende und werden von ihm hinuntergespült ins Schwarze Meer, wo sie sich vielleicht ins Goldene Vlies verwandeln. – Trocken genaue Spülungen kaputt-schöner Seelen!

Victor Tiefenbrunner, Sportcafé. Storys.
Innsbruck, Wien: Kyrene 2013, 94 Seiten, EUR 12,50, ISBN 978-3-902873-22-4

 

Weiterführende Links:
Kyrene-Verlag

 

Helmuth Schönauer, 07-05-2013

Bibliographie

AutorIn

Victor Tiefenbrunner

Buchtitel

Sportcafé. Storys

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Kyrene-Verlag

Seitenzahl

94

Preis in EUR

12,50

ISBN

978-3-902873-22-4

Kurzbiographie AutorIn

Victor Tiefenbrunner, geb. 1950 in Zirl, lebt in Zirl.