Kai Aline Hula, Windmädchen

„Ich verschwand an jenem Sonntag, an dem mein Bruder achtzehn wurde. Eigentlich begann der Tag ganz gut. Als ich die Treppe hinunter ging, roch es nach Kaffee und ein bisschen nach angebrannten Semmeln.“ (5)

Gerade war Kara noch am Frühstückstisch, hat mit ihren Eltern und ihrem Bruder Rafael, der seinen achtzehnten Geburtstag feiert, gescherzt. Als sie in ihr Zimmer geht, um die Konzertkarte, ihr Geburtstagsgeschenk für ihren Bruder, zu verstecken, verschwindet sie.

Genau genommen verschwindet sie nur für ihre Umwelt. Sie selbst kann alles sehen und hören und sich nur aus dem Zimmer oder dem Haus entfernen, wenn auch die Türen geöffnet sind. Nur eines kann sie nicht: gesehen und gehört werden. Was Kara anfangs für einen Scherz ihres Bruders hält, wird immer mehr zur Gewissheit: sie ist aus der Wahrnehmung ihrer Umgebung verschwunden.

Etwas lief hier überhaupt nicht, wie es sollte. Ich versuchte zu sammeln, was ich wusste. Ich war unsichtbar, dazu unhörbar und unfähig, Dinge zu bewegen. (47)

Dabei Kara hatte für diese Woche noch so viele Pläne. Sie wollte ihren Bruder und seinen Freund Yannik, in den sie sich verliebt hat, auf ein Konzert seiner Lieblings-Band begleiten, stattdessen war die ganze Familie in Aufruf und auf der Suche nach ihr.

Umso überraschter ist sie, als sie im Garten plötzlich eine Stimme hört. Ilian war vor drei Jahren genauso verschwunden wie Kara, damals war er zwölf Jahre alt. Seit dieser Zeit lebt er in einer Hütte im Wald, nahe dem alten verlassenen Flugplatz. In Ilian wächst die Hoffnung, dass es ihm vielleicht gemeinsam mit Kara gelingen kann, wieder in die Welt zurück zu kehren, vor allem als er bemerkt, dass ihr Hund Tumba, Kara zu spüren scheint.

Tumba erscheint beiden als einzige Möglichkeit, mit Kara Familie Kontakt aufzunehmen, um ein Lebenszeichen zu geben und auf diese Weise vielleicht wieder in die Welt der Sichtbaren zurückzukehren. Ihr Plan ist es, Karas Hund dazu zu bringen, Kleidungsstücke und Gegenstände aus dem Haus ihrer Familie zum verlassenen Flugplatz zu bringen und diese so auf dem Feld aufzulegen, dass die Schriftzüge ihres Namens zu erkennen sind.

In dieser Zeit lernen sich Kara und Ilian immer besser kennen. Kara erzählt ihm von ihrem Leben, ihre Beziehung zu Yannick und die letzten Momente, bevor sie unsichtbar geworden war. Ilian erzählt von seiner Schwester, seiner launenhaften Mutter und ihren ständig wechselnden Beziehungen, unter denen er sehr gelitten hat. Als Kara von ihrem letzten Abend mit ihrem Bruder Rafael und Yannick erzählt, den sie in einer Bar beim Billardspiel verbracht hatten, wird Ilian plötzlich hellhörig.

Die Vorstellung, plötzlich zu verschwinden, unsichtbar zu sein, den Kontakt zu seiner Umwelt zu verlieren, ist ebenso reizvoll wie beängstigend. Kai Aline Hula lässt ihre Heldin in ihrem Jugendroman „Windmädchen“ genau das passieren. Zunächst erscheint ein wenig irritierend, dass Karas Verhalten, aber auch das ihre Familie, ein wenig emotions- und farblos geschildert werden, was sich am Ende jedoch aufklärt, wenn die Geschichte zu einem überraschenden Finale kommt.

Im Mittelpunkt des lesenswerten Jugendromans stehen die Themen erste Liebe, Familie und Einsamkeit, die mit viel Einfühlungsvermögen, Fantasie und Poesie einem jugendlichen Publikum vermittelt werden.

Kai Aline Hula, Windmädchen. Ab 12 Jahren
Innsbruck: Obelisk Verlag 2014, 256 Seiten, 14,95 €, ISBN 978-3-85197-746-2

 

Weiterführender Link:
Obelisk Verlag: Kai Aline Hula, Windmädchen

 

Andreas Markt-Huter, 05-03-2015

Bibliographie

AutorIn

Kai Aline Hula

Buchtitel

Windmädchen

Erscheinungsort

Insbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Obelisk Verlag

Seitenzahl

256

Preis in EUR

14,95

ISBN

978-3-85197-746-2

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Kai Aline Hula wuchs im Burgenland und in Wien auf. Sie arbeitet als Volksschullehrerin in Wien. „Windmädchen“ ist ihr erster Roman für Jugendliche.