Lea-Lina Oppermann, Was wir dachten, was wir taten

„Wir werden dir erzählen, was wirklich passiert ist. An diesem Tag. In diesen 143 Minuten. Wir werden dir erzählen, was wirklich passiert ist. Kann sein, dass es dich verändert. Kann sein, es lässt dich kalt. Kann sein, dass du schon davon gehört hast, im Fernsehen oder in den Schlagzeilen. […] Wenn ja, vergiss es, nichts davon ist wahr.“ (5)

Über den Lautsprecher eines Gymnasiums wird eine Sicherheitswarnung verlautbart, in der alle Schüler und Lehrer aufgefordert werden, sich in einen geschlossenen Klassenraum zu begeben und weitere Anweisungen abzuwarten. Allen ist rasch klar, dass es sich um keine Übung handelt, als plötzlich eine Stimme vor dem verschlossenen Klassenzimmer zu hören ist.

Eigentlich sollte es ein ganz normaler Schultag werden, der mit einer Mathematikschularbeit für die meisten Schüler bereits einen unangenehmen Anfang genommen hat. Nach der Lautsprecherwarnung hören die jugendlichen Schüler und ihr Lehrer die verzweifelten Hilferufe einer jungen Schülerin. Nach langen Diskussion entschließt sich Mark Winter, der Außenseiter der Klasse, auf einen Zuruf von Fiona Nikolaus, die Tür zu öffnen um das Mädchen in das Klassenzimmer zu lassen.

Mit dem Mädchen dringt ein mit einer Pistole bewaffneter, maskierter Amokläufer in den Raum, der wieder verschlossen wird. Alle sind zu Tode erschrocken und auch der von vielen Schülern gefürchtete Anton Filler, der seit zwei Jahren an der Schule Mathematik, Geschichte und Sport unterrichtet, ist sprachlos und gibt die Führung der Klasse rasch aus der Hand. Mark verpasst eine aussichtsreiche Gelegenheit, den Amokläufer zu überwältigen und Fiona wird beim Versuch, an ihr Handy zu gelangen und Hilfe zu rufen, von ihrer Freundin Greta verraten und von der unbekannten Person mit der Pistole bedroht. Wie sich herausstellt, hat die Polizei bereits die Schule umstellt.

Ohne Worte schreibt der Bewaffnete die Worte „Meine Letzten Wünsche“ an die Tafel und zieht zehn Kuverts aus seiner Tasche, die er Anton Filler in Folge vorzulesen zwingt. Die Anweisung im ersten Kuvert lautet:

„Erster Wunsch. Herr Filler“, er zögerte, fuhr dann etwas langsamer fort, „spuken Sie Greta ins Gesicht.“ (71)

Die weiteren Forderungen des Amokläufers treffen nach und nach alle Schülerinnen und Schüler der Klasse und machen auch vor dem Mathematiklehrer nicht halt. Dabei werden zunehmend die Grenzen der Gewaltbereitschaft zwischen den Jugendlichen ausgeweitet und die wahren Gesichter hinter ihren Fassaden aufgedeckt. Als es schließlich gelingt, den Amokläufer zu überwältigen, gibt es keinen Weg mehr hinter die offenbarten Wahrheiten zurück.

Die junge Autorin lässt die Handlung, die sich über einen Zeitraum von knapp zweieinhalb Stunden erstreckt, aus der Erinnerung der durchaus unterschiedlichen Protagonisten Mark Winter, Fiona Nikolaus und dem Lehrer Anton Filler erzählen, dabei passt sich Dramatik der Erzählweise der Dramatik der Handlung an, die mit unerwarteten Wendungen zu überraschen versteht.

Ein überaus spannender Jugendroman, der seine Leserinnen und Leser von der ersten Seite an in ihren Bann zu ziehen weiß, der zahlreiche Fragen aufwirft und sicherlich noch lange zum Nachdenken und Diskutieren anregen wird. Seine überzeugenden Charaktere und die präzise und einfühlsame Analyse sozialer Gruppenbeziehungen, die von Mobbing bis Klassenhierarchie und von Anführern bis Außenseitern reicht, empfehlen das Jugendbuch ganz besonders auch als Klassenlektüre.

Lea-Lina Oppermann, Was wir dachten, was wir taten. Ab 14 Jahren
Weinheim: Beltz & Gelberg Verlag 2017, 180 Seiten, 13,40 €, ISBN 978-3-407-82298-7

 

Weiterführender Link:
Beltz & Gelberg Verlag: Lea-Lina Oppermann, Was wir dachten, was wir taten

 

Andreas Markt-Huter, 14-09-2017

Bibliographie

AutorIn

Lea-Lina Oppermann

Buchtitel

Was wir dachten, was wir taten

Erscheinungsort

Weinheim

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Beltz & Gelberg

Seitenzahl

180

Preis in EUR

13,40

ISBN

978-3-407-82298-7

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Lea-Lina Oppermann wurde in Berlin geboren und studiert Sprechkunst und Kommunikationspädagogik. Geschichten zu hören, zu lesen und zu erleben hat sie dazu gebracht, selbst mit dem Erzählen anzufangen. »Was wir dachten, was wir taten« ist ihr preisgekröntes Debüt.