Nicolas Mahler, Lulu und das schwarze Quadrat

Wenn drei außergewöhnliche Künste zusammentreffen, entsteht ein Ereignis, das weit über bloße Drei-D-Qualität hinausgeht.

Der reduktions-radikale Graphic-Novel-Meister Nicolas Mahler widmet sich in seinem Lulu-Fünfakter jener Asymptote, wo die Heldin immer auf das schwarze Quadrat ihrer Psyche stößt. In fünf Modellsituationen verwandelt sich Lulu mit Hilfe des Malers in die eigene Psyche und endet als schwarzes Quadrat.

Da bin ich sagt das Model, wie gefall' ich ihnen, da ist es um den Maler eigentlich schon geschehen. Ich bin mir meiner vollkommen bewusst, bedrängt Lulu den Künstler, der das rechte Knie vorschieben lässt. Allmählich entwickelt sich ein formidables schwarzes Quadrat, aber die rechte untere Ecke will ums Verrecken nicht gelingen. Ich kann nicht mehr, sagt der erregte Pinselmeister und lässt zumindest das Quadrat unvollendet.

In der Folge verkauft sich das schwarze Plakat wie wild und wird zum Selbstrenner, so dass der Maler nachlegen muss. Lulu bittet, liegen bleiben zu dürfen, das tut der Erotik keinen Abbruch, nur dass die Seele eben ein etwas länglicheres Quadrat wird.

Nach diversen Verkleidungen und Inszenierungen läuft es doch immer wieder auf das gleiche hinaus. Die Konstellation zwischen dem erregenden Quadrat-Modell und dem aufgegeilten Maler eskaliert, erschieß mich doch, bittet Lulu, andererseits könnte sie noch etwas Kohle aus dem Verkauf des schwarzen Quadrats gebrauchen. Beide sind nicht mehr gesellschaftsfähig und driften auf ihren Trieben ausgelassen dem Ende zu, das logischerweise als schwarze Fläche ausgeführt ist.

Als Abspann ist das Programm des Kasimir Malewitsch in Quadratform aufgeblendet:

Auf meinem Quadrat werden / sie niemals das Lächeln einer / reizenden Psyche sehen! / Es wird niemals die Matratze / der Liebe sein!

Nicolas Mahler hält sich gar nicht lange mit der Triebstruktur zwischen einem alten Herrn und seiner verführerischen Lulu-Beute auf, er schneidet den Genen gleich ins DNA-Material und transformiert es am lebenden Subjekt zu jenen Chiffren, die an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig lassen: schwarze Flächen voller Kontext und Psyche, die Kraft der Geilheit reduziert auf Piktogramme. Das verstehen auch die beiden Protagonisten und verdampfen in einem Quadrat.

Wir brauchen kein Licht! Du entkommst mir nicht! - Inniger kann man das Lulu-Syndrom nicht zusammenfassen.

Nicolas Mahler, Lulu und das schwarze Quadrat. Nach Frank Wedekind. Graphic Novel.
Berlin: Suhrkamp 2014. 139 Seiten. EUR 12,90. ISBN 978-3-518-46575-2.

 

Weiterführende Links:
Suhrkamp Verlag: Nicolas Mahler, Lulu und das schwarze Quadrat
Wikipedia: Nicolas Mahler
Wikipedia: Frank Wedekind
Wikipedia: Kasimir Malewitsch

 

Helmuth Schönauer, 25-10-2014

Bibliographie

AutorIn

Nicolas Mahler

Buchtitel

Lulu und das schwarze Quadrat. Nach Frank Wedekind. Graphic Novel

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Suhrkamp Verlag

Illustration

Nicolas Mahler

Seitenzahl

139

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-518-46575-2

Kurzbiographie AutorIn

Nicolas Mahler, geb. 1969, lebt in Wien.<br /> Frank Wedekind, 1864-1918, Dramatiker und Lulu-Autor.<br /> Kasimir Malewitsch, 1879-1935, Begründer des Suprematismus, Meister des Schwarzen Quadrats.