Olivia Vieweg, Huck Finn

Jede Gesellschaft spuckt für jede Epoche einen zeitgenössischen Huckleberry Finn aus. Dabei müssen auch moderne Finn-Helden jeweils vor einer Witwe fliehen und auf dem persönlichen Mississippi dem eigenen Glück und der Freiheit entgegenfahren.

Olivia Vieweg verlegt ihre aktualisierte Story um den Außenseiter Finn in das Mitteldeutsche Halle an der Saale. Dort spielt die nachrückende Generation auf den Dächern und überlegt, auf wen sie Flaschen hinunterwerfen könnte. Finn muss immer wieder das doofe Spiel abbrechen, weil er zu seiner Witwe heim muss, die mit ihm restlos überfordert ist.

Finn sieht ein, dass es so nicht weiter gehen kann. „Aber für Leute wie mich hat es gar keinen Zweck zu versuchen, das Richtige zu tun.“ (60)

Die Saale wird zu seinem Mississippi, er richtet sich auf einer Insel ein und gibt die Parole aus: „Von nun an werde ich nur noch das tun, was gerade am bequemsten ist.“ (65)

Da flüchtet das Mädchen Jin zu ihm auf die Insel, sie ist aus einer Bar abgehauen, wo sie Schlepper abgestellt haben. Zusammen bilden sie jetzt das ideale Fluchtpaar, wo immer sie auftauchen, wird ihre Flucht beschleunigt. „Wer seid ihr? Gehört ihr zu einem neuen, kranken Plan?“ (77)

Das Ziel heißt Hamburg, weil Saale und Elbe sich diese Richtung gegeben haben. Entlang der Ufer sind freilich kaputt Typen unterwegs, die auf Grapschen, Schlägereien oder Kohle aus sind.

Finn unterhält sich zwischendurch mit einem Fachmann für Fehden über den größten Unsinn der Weltgeschichte. Eine echte Fehde nämlich hat keinen Anfang und kein Ende, jeder ist nur ein Puzzle-Teil dieser verrückten Geschichte und muss jemanden töten, wenn er dran ist, oder sich selbst auf den Friedhof schaffen, wenn es die Fehde verlangt. Offensichtlich ist die ganze Weltordnung nach diesem Fehde-Prinzip aufgebaut, es gibt kein Entrinnen, aber man kann eine Zeitlang untertauchen, indem man einfach dem Fluss folgt.

Letztlich geht das Abenteuer passabel aus, wie bei echten Abenteuern ist das Erzählen oft anstrengender als das Erleben.

Wenn ich gewusst hätte, was es für eine Arbeit ist, so eine Geschichte zu erzählen, hätte ich es bestimmt gelassen. (141)

Dazu muss man wissen, dass das Erzählen einer Graphic Novel eine Menge Holz ist, jede Schattierung muss gezeichnet werden, jede Witterungsnuance verlangt nach einem neuen Auftritt und die Psyche ist ohnehin verdammt schwer darzustellen. Die Sätze sind in der Graphic Novel eigentlich noch das Einfachste.

Olivia Vieweg, Huck Finn. Nach dem Roman ‚Huckleberry Finn‘ von Mark Twain. Graphic Novel, ill. v. Olivia Vieweig, ab 14 Jahren
Berlin: Suhrkamp 2013. (= Suhrkamp Taschenbücher 4429). 141 Seiten. EUR 20,60. ISBN 978-3-518-46429-8.

 

Weiterführende Links:
Suhrkamp Verlag, Olivia Vieweg, Huck Finn
Wikipedia: Olivia Vieweg
Wikipedia: Markt Twain

 

Helmuth Schönauer, 27-03-2014

Bibliographie

AutorIn

Olivia Vieweg

Buchtitel

Huck Finn. Nach dem Roman ‚Huckleberry Finn‘ von Mark Twain. Graphic Novel

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Suhrkamp

Illustration

Olivia Vieweg

Seitenzahl

141

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-518-46429-8

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Olivia Vieweg, geb. 1987 in Jena, Studium in Weimar, postapokalyptische Zombie-Projekte.<br />Mark Twain (= Samuel Langhorne Clemens), 1835 -1910 war ein US-amerikanischer Schriftsteller